In einem Urteil vom 29.10.2014 stellt das Landessozialgericht Hessen Kriterien auf, in welchen Fällen die Tilgungsraten eines Hauskredites zu den Unterkunftskosten zu zählen sind.

Der 1950 geborene Kläger ist Diplomingenieur und wurde 2002 arbeitslos. Nachdem sein Arbeitslosengeldanspruch aufgebraucht war, wechselten sich bei ihm ab 2005 Arbeitslosengeld II-Bezug, kurze Beschäftigungen und Arbeitslosengeld I-Bezug ab.

1984 kaufte der Kläger ein Haus mit einer Wohnfläche von ca. 78 m2 für 290.000 DM. Der eingeschossige Wohnbereich umfasst vier Zimmer, eine Abstellkammer, Küche, Flur, Bad und Toilette. Das Haus befand sich 2011 in einem renovierungsbedürftigen Zustand.

Nach dem Tilgungsplan waren am 30. Januar 2011 noch etwa 45.000 € bis zum Jahr 2037 zu zahlen, wovon 3/5 die Tilgung und 2/5 den Zins betreffen. Eine Aussetzung der Raten wurde von der betreffenden Bank abgelehnt.

In einem Bescheid gewährte der Beklagte dem Kläger an Unterkunftskosten monatliche Zinsen in Höhe von 88,81 € sowie zusätzliche Kosten für Abgaben an die Stadt von 34,00 €, Feuerversicherung 4,15 € und Grundsteuer von 6,18 €.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 8. März 2011 Widerspruch ein, weil die Leistungen nicht seinen Lebensunterhalt sicherten. Im Wesentlichen ginge es um die Kosten für die Hausbelastung. Die Tilgungsleistungen seien notwendig, um seinen Lebensunterhalt zu sichern.

Der Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin ein Darlehen zur Tilgung seiner Zinsen, mit der Begründung, Sozialleistungen sollten nicht der Bildung von Vermögen dienen.

Auf die daraufhin eingereichte Klage gab das Sozialgericht dem Kläger Recht. Der Hilfebedürftigkeit stehe nicht entgegen, dass der Kläger Eigentümer eines selbstbewohnten Hauses sei, da das Haus mit einer Wohnfläche von 78 m² als angemessen anzusehen sei und damit zum Schonvermögen des Klägers zähle. Die Verwaltungspraxis des Beklagten sähe bei einem Ein-Personen-Haushalt eine Netto-Kaltmiete von 360 € sowie einen Betriebskostenreferenzwert von 2,10 €/m² vor. Die vom Kläger zu zahlenden Tilgungs- und Zinsleistungen in Höhe von 331,22 € monatlich lägen daher unter diesem Betrag. Selbst mit den Nebenkosten belaufe sich der monatliche Zahlbetrag lediglich auf 376,72 € und läge damit deutlich unter dem, was der Beklagte sonst als angemessen erachte. Berücksichtige man die Gleichstellung mit einem Mieter müssten die Kosten daher als angemessen angesehen werden.

Dass durch die Tilgung des Kredites eine Mehrung des Vermögens des Eigentümers eintrete, sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch hinzunehmen, wenn ohne Übernahme der Tilgungsleistungen der Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums drohe. Die Gleichbehandlung zu hilfebedürftigen Mietern überwiege in der Abwägung gegenüber der bei dem Kläger eintretenden Vermögensbildung durch Sozialleistungen.

Daraufhin legte der Beklagte Berufung ein, mit der Begründung, das zitierte Urteil des Bundessozialgerichts würde anders liegen, denn dort sei die Tilgung des Kredites schon fast abgeschlossen gewesen. Auch hätte der Kläger durch Untervermietung die Raten zur Tilgung des Kredites erlangen können.

Das Landessozialgericht Hessen folgte jedoch der Ansicht des Sozialgerichts und wies die Berufung des Beklagten ab.

Grundsätzlich sind die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen. Ausnahmen können jedoch vorliegen, wenn 1. der Erwerb der Immobilie außerhalb des Leistungsbezuges erfolgte, 2. im Falle der Nichtübernahme der Tilgung der Wohnungsverlust droht, 3. die Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist, und 4. die Aufwendungen nach den einheitlichen, für Mieter und Hauseigentümer geltenden Kriterien angemessen sind.

Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Insbesondere sei eine Untervermietung bei dem Zuschnitt und dem renovierungsbedürftigen Zustand der Wohnung nicht praktikabel gewesen.


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Veröffentlicht am

20.01.2015

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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