Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entschieden, dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes Zweifel bei der Feststellung, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt, aufgrund des verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimums nicht zu Lasten des Antragsstellers gehen dürfen. Vielmehr obsiegt dieser, wenn auch nicht in vollem Umfang.

Der Antragssteller machte geltend, Anspruch auf Grundsicherung zu haben. Da er – soweit ersichtlich – ohne hinreichendes eigenes Einkommen und Vermögen ist, hängt seine Hilfebedürftigkeit als zentrale Tatbestandsvoraussetzung für einen solchen Anspruch davon ab, ob er eine Bedarfsgemeinschaft bildet, denn für diesen Fall sind das Erwerbseinkommen und gegebenenfalls auch das Vermögen seiner Partnerin nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch 2 zu berücksichtigen. Dies dürfte nach entsprechender Ermittlung zu einem zumindest teilweisen Ausschluss seiner Hilfebedürftigkeit führen.

Das Landessozialgericht konnte jedoch trotz zweier kurzfristig anberaumter Ortstermine eine Bedarfsgemeinschaft anhand der insoweit vom Bundessozialgericht entwickelten Kriterien nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Es gab zwar durchaus Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine eheähnliche Gemeinschaft handelte. Eine von wesentlichen Zweifeln freie Überzeugungsbildung dahingehend, dass die eine solche Gemeinschaft nach § 7 Absatz 3 Nummer 3c Sozialgesetzbuch 2 begründenden Tatsachen positiv vorliegen, war allerdings nicht möglich. Hierfür hätte es einer weiteren Beweisaufnahme bedurft, für die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch keine Zeit verblieb.

Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist sodann anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, die daran ausgerichtet sein muss, eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert. Deshalb musste in diesem Fall eine Abwägung ohne Zweifel zu Gunsten des Antragsstellers erfolgen, denn die Sicherung des Existenzminimums ist eine grundgesetzliche Gewährleistung in diesem Sinne. Sie dient der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens und resultiert aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip.

Soweit jedoch die Durchsetzbarkeit des Anspruchs im Hauptsacheverfahren nicht sicher erscheint, ein Obsiegen in der Hauptsache also nicht wahrscheinlich ist, kürzt das Gericht den grundsätzlich vorgesehen Regelsatz. Im Falle eines gar unwahrscheinlichen Obsiegens beträgt die Kürzung 30 Prozent, im Falle eines gänzlich offenen Ausgangs wie hier 15 Prozent. Diese Abschichtung ist nicht unumstritten, entspricht aber der Rechtsprechung vieler Landessozialgerichte.

Für Betroffene bedeutet dies umso mehr, dass zur Erreichung ihres Rechtsschutzzieles im Bereich der Grundsicherung oftmals ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigt sein dürfte.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.04.2011.


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Veröffentlicht am

30.04.2011

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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