Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der Schiedsspruch einer Schiedsperson zur Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege rechtmäßig ist, wenn er der "Billigkeit" entspricht.

Streitig war die durch einen Schiedsspruch erfolgte Anhebung der Vergütung für Leistungen der häus­lichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.12.2008. Kläger waren die in Hessen tätigen Krankenkassen bzw Krankenkassenverbände. Beklagter zu 1 war eine vom Hessi­schen Sozialministerium nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V bestellte Schiedsperson. Beigeladen und seit dem SG-Verfahren ebenfalls beklagt waren zehn in Hessen tätige Verbände der Freien Wohl­fahrts­pflege (Beklagte zu 2 bis 11). Die Klage gegen deren Dachverband, der nur als Ver­fahrens­bevollmächtigter der Mitgliedsverbände auftrat, wurde im Revisionsverfahren zurück­genommen.

Der zwischen den Klägern und den Beklagten zu 2 bis 11 im Jahr 1996 geschlossene Rahmenvertrag über die häusliche Krankenpflege nach § 132a SGB V in Hessen wurde 2001 gekündigt, aber bis zum 31.12.2004 weiter angewendet. Zum 1.1.2005 wurde dieser Vertrag dann durch einen neuen Vertrag ersetzt (Rahmenvertrag 2005). Gemäß § 38 Abs 1 Rahmenvertrag 2005 erfolgt die Vergütung der erbrachten Leistungen nach der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarung der Anlage 1.

Die Beteiligten konnten sich bei den Vertragsverhandlungen über diverse Vergütungsfragen nicht einigen. Der Rahmenvertrag 2005 enthielt somit nicht die zu § 38 Abs 1 vorgesehene Anlage 1. Zur Herbeiführung einer Einigung wurde deshalb im November 2006 ein Schiedsverfahren eingeleitet. Es endete mit dem Schiedsspruch des Beklagten zu 1 vom 2.5.2007. Darin wurden die Vergütungen der Leistungen der häuslichen Krankenpflege sowie die Hausbesuchspauschale für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.12.2008 jeweils um 5,98 % erhöht. Dieser Entscheidung war eine Aufsummierung der Veränderungen der Grundlohnsummen der Jahre 2001 bis 2007 zugrunde gelegt worden, nachdem es zuletzt im Jahre 1999 eine allgemeine Anhebung der Vergütungen gegeben hatte. Die Kläger hat­ten im Schiedsverfahren eine Anhebung der Vergütungen um 3,2 % angeboten, wollten aber die Hausbesuchspauschale unverändert lassen; die Beklagten hatten eine Anhebung aller Abrechnungs­posten um jeweils 15,77 % gefordert.

Im Gerichtsverfahren haben die Kläger in erster Linie die Aufhebung des Schiedsspruchs sowie die Verurteilung des Beklagten zu 1 begehrt, über den Schiedsantrag unter Beachtung der Rechtsauf­fassung des Gerichts neu zu entscheiden. Sollte dies nicht möglich sein, verlangten sie im Verhältnis zu den Beklagten zu 2 bis 11, den Schiedsspruch aufzuheben und die Vergütung durch das Gericht analog § 319 Abs 1 Satz 2 BGB nach billigem Er­messen bestimmen zu lassen. Das Sozialgericht hat die Klagen abgewiesen, das Landessozialgericht die Berufungen der Kläger zurückgewiesen.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat in seiner heutigen Sitzung die Revisionen der Kläger zu­rückgewiesen. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Klage unzulässig ist, weil der Schiedsspruch einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V keinen Verwaltungsakt darstellt und deshalb eine gegen die Schiedsperson gerichtete An­fechtungs- und Verpflichtungsklage von vornherein ausgeschlossen ist. Anders als die Schieds­ämter (§ 89 SGBV) und die diversen Schiedsstellen nach dem SGB V und SGB XI sind die Schieds­personen nach § 132a Abs 2 SGB V keine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X, weil sie aufgrund einer Ver­einbarung der Vertragspartner der häuslichen Krankenpflege tätig werden und nur als "Ver­tragshelfer" analog § 317 BGB fungieren. Demgemäß stellen ihre Schiedssprüche keine Verwaltungs­akte dar. Zulässig war demzufolge nur die gegen die Beklagten zu 2 bis 11 gerichtete "Ersetzungs­klage" analog § 319 Abs 1 BGB, bei der ein rechtswidriger Schiedsspruch durch eine Billigkeitsent­scheidung des Gerichts ersetzt wird. Der Schiedsspruch vom 2.5.2007 war rechtmäßig, weil er "billigem Ermessen" (analog § 317 BGB) entsprach. Anders als im Bereich der sozialen Pflegever­sicherung, wo Vergü­tungsvereinbarungen für die häusliche Pflege nur für jeden Pflegedienst ge­sondert getroffen werden dürfen (§ 89 Abs 2 Satz 2 SGB XI), können bei der häuslichen Kranken­pflege (§ 37 SGB V) Vergü­tungsvereinbarungen sowohl für den einzelnen Krankenpflegedienst als auch ? wie hier ? für eine Mehrzahl von Krankenpflegediensten bzw ganze Gruppen von Leistungser­bringern abgeschlossen werden. Bei solchen Rahmenverträgen kann die Vergütung an der Steigerung der jeweiligen Grund­lohnsummen ausgerichtet werden. Das ist hier geschehen. Bei Ver­gütungsvereinbarungen für den einzelnen Krankenpflegedienst sind hingegen jene Grundsätze ent­sprechend anzu­wenden, die der Senat für die Vergütungsvereinbarungen der häuslichen Pflege nach § 89 SGB XI (Urteil vom 17.12.2009 ? B 3 P 3/08 R ?) entwickelt hat.

Az: B 3 KR 1/10 R AOK Hessen ua ./. M. R. als Schiedsperson beigeladen und ebenfalls beklagt: AWO Hessen-Süd und -Nord sowie 8 weitere Verbände

Quelle: Medieninformation Nr. 47/10 des Bundessozialgerichts vom 25.11.2010.


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Veröffentlicht am

25.11.2010

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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