Das Bundessozialgericht hat 2012 entschieden, dass eine Neufestsetzung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung für Personen, die z.B. als Schüler einen Unfall und Gesundheitsschaden erlitten haben, aufgrund eines fiktiven Arbeitseinkommens nur dann möglich ist, wenn die Berufsausbildung wegen des Unfalls nicht fristgerecht und erfolgreich beendet wurde.

In dem entschiedenen Fall ging es um einen im Jahr 1978 geborenen Kläger, der als Achtjähriger im Jahr 1986 auf dem Heimweg von der Schule von einem Lkw angefahren und schwer verletzt wurde. Der Unfall wurde als Arbeitsunfall anerkannt und einer Verletztenrente nach einer „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ (MdE) von 90 % festgesetzt. Zur Berechnung der Rente wurde als "Jahresarbeitsverdienst“ des damaligen Schülers bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres 40 % und ab dem 18. Lebensjahr 60 % der Bezugsgröße (des Durchschnittseinkommens aller Versicherter in der gesetzlichen Rentenversicherung) zu Grunde gelegt. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist § 85 Sozialgesetzbuch VII.

Im Jahr 1997 begann der damals 19 jährige Kläger eine Ausbildung zum Fachinformatiker in der Fachrichtung Anwendungsentwicklung, die er im Jahr 2000 erfolgreich abschloss. Nach dem Ende der Ausbildung, arbeitete er jedoch nicht in dem Ausbildungsberuf, sondern begann ein Informatikstudium.

Der Kläger verlangte nun von der gesetzlichen Unfallversicherung die Zahlung einer Verletztenrente unter Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitseinkommens als Fachinformatiker.

Die gesetzliche Unfallversicherung bewilligte dem Kläger tatsächlich eine höhere Verletztenrente, allerdings unter Zugrundelegung eines fiktiven Einkommens als Datenverarbeitungskaufmann, Fachrichtung Fachinformatiker, i.H.v. jährlich 21.381,09 €. Dagegen erhob der Kläger Klage und verlangte eine Berechnung seiner Rente unter Zugrundelegung eines fiktiven Einkommens als Fachinformatiker im Bereich Anwendungsentwicklung i.H.v. jährlich 30.000,00 €.

In letzter Instanz entschied das Bundessozialgericht, dass dem Kläger keine höhere Rente zustehe und eigentlich sogar die von der gesetzlichen Unfallversicherung vorgenommene Anpassung der Rente falsch gewesen sei.

Eine Berechnung der Verletztenrente anhand eines fiktiven, also hypothetischen Einkommens nach § 90 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII sei nur möglich, wenn aufgrund des Unfalls die Berufsausbildung nicht planmäßig abgeschlossen worden, sondern abgebrochen worden sei oder sich verzögert habe.

Habe ein Versicherte trotz des Unfalls seine Berufsausbildung rechtzeitig beendet, finde diese gesetzliche Regelung keine Anwendung und es könne kein hypothetisches Einkommen der Rentenberechnung zugrunde gelegt werden, sondern nur die pauschalierten altersbezogenen Beträge oder aber das tatsächliche Einkommen.

Hinweis: Möchte man als in jungen Jahren verletzter Mensch eine höhere Rente unter Zugrundelegung eines hypothetischen Einkommens durchsetzen, bedarf es der Darlegung, inwieweit sich unfallbedingt eine Verzögerung oder ein Abbruch einer sonst - d.h. ohne Unfall - abgeschlossenen Berufsausbildung ergeben hat. Dabei muss unter Umständen auch erklärt werden, dass eine eingetretene Verzögerung oder ein Abbruch der Berufsausbildung nicht aus Gründen erfolgte, die mit dem Unfall nichts zu tun haben. Es muss ein deutlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsdefizit und dem erlittenen Unfall bestehen.

Foto: ©tain77-_Fotolia.com

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Veröffentlicht am

01.08.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

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