Das Sozialgericht Detmold hat entschieden, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für die Versorgung mit einem FreeStyle Navigator© sowie der entsprechenden Verbrauchsmaterialien zur Blutzuckermessung zu tragen hat. Beim Kläger besteht seit früher Kindheit ein Diabetes Mellitus Typ 1.
Bei dem gesetzlich krankenversicherten Kläger bestand seit frühester Kindheit ein Diabetes Mellitus Typ 1. Als Folge der Erkrankung liegen insbesondere eine proliferative diabetische Retinopathie (Netzhauterkrankung der Augen) bei Zustand nach Vitrektomie (Glaskörperentfernung) im Jahre 2002 sowie eine periphere sensible diabetische Neuropathie und ein labiler arterieller Hypertonus vor. Die Folgen der Unterzuckerungen haben bereits in der Vergangenheit zu einer faktischen Erblindung des linken Auges geführt. Die Einstellung der Stoffwechselerkrankung war bei dem Kläger stets deshalb problematisch, da die Werte starken Schwankungen unterliegen. Dies wurde auch ärztlich diagnostiziert und bescheinigt. Es zeigte sich in sämtlichen Untersuchungen danach eine extrem hohe Streubreite der Glucosewerte ohne erkennbares Therapieproblem. Vor diesem Hintergrund ist es für den Kläger unerlässlich, häufig Blutglucosekontrollen (bis zu zehnmal pro Tag) vorzunehmen, um schwere Hypoglykämien zu vermeiden.
Nach Testung des Glucosemonitoringsystems Free Style Navigator verordnete der behandelnde Arzt dieses System, um eine Stabilisierung des Stoffwechsellage zu erreichen und ein Voralarmsystem installieren zu können, das einen Schutz vor nächtlichen Hypoglykämien beinhaltete. Anders als bei der klassischen Blutzuckermessung mit Teststreifen wird bei der kontinuierlichen Glucosemessung in der Zwischenzellflüssisgkeit des Unterhautfettgewebes der Glucosegehalt gemessen. Das System besteht dabei aus drei Komponenten. Der Nutzer muss zunächst einen Sensor am Oberarm oder am Bauch tragen. Daran ist ein Messfühler befestigt, der vom Anwender mit einem speziellen Einsatzset unter die Haut eingeführt wird. Mit einem Pflaster, dem Sensorträger, wird der Sensor auf der Haut befestigt. Die Übermittlung der Messwerte erfolgt durch einen Sender, der direkt mit dem Sensor verbunden wird. Er wird direkt auf dem Sensorträger eingeklickt, ist wasserdicht und muss beim Duschen, Baden oder Schwimmen sowie beim Sport nicht abgenommen werden. Der Sender überträgt die Messwerte per Funk an den Empfänger und zeigt somit die Glucosewerte im Minutentakt an. Gleichzeitig ermittelt der Empfänger eine Trendentwicklung der Glucosewerte für die nächste Stunde, die im Display mit einem Pfeil dargestellt wird. Ferner enthält das System eine Alarmfunktion, die den Träger warnt, wenn bestimmte Glucosewerte über- bzw. unterschritten werden.
Der Kläger beantragte daraufhin nach Selbstbeschaffung die Kostenerstattung bei seiner gesetzlichen Krankenkasse. Nachdem diese eine Kostenübernahme abgelehnt hatte, erhob er Klage vor dem Sozialgericht. Diese hatte in vollem Umfang Erfolg.
Der Kläger habe, so das Gericht, auf Grund seiner speziellen gesundheitlichen Situation einen Anspruch auf Kostenerstattung für das selbstbeschaffte FreeStyle Navigator-System inklusive der nachgewiesenen Verbrauchsmaterialen. Ebenso wie sonstige Geräte zur Messung von Körperzuständen sei das System als Hilfsmittel im Sinne des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts anzusehen.
Die fehlende Listung im Hilfsmittelverzeichnis stehe überdies dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Das nach § 139 Absatz 1 Sozialgesetzbuch 5 zu erstellende Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbandes der Krankenkassen sei lediglich eine unverbindliche Auslegungshilfe. Wenn das begehrte Hilfsmittel nicht im Verzeichnis aufgeführt sei, habe dies keinen Einfluss auf den Versorgungsanspruch des Versicherten. Der Spitzenverband habe keine Befugnis, Ansprüche zu begrenzen. So sehe es auch das Bundeessozialgericht in seiner ständigen Rechtsprechung.
Aus alledem folge, dass die Kostenübernahme hier zu bejahen sei.
Kommentar: Dem Urteil ist ausdrücklich zuzustimmen. Kontaktieren Sie mich gerne in Ihrem Fall.
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Veröffentlicht am
10.01.2013
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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