Das Landessozialgericht Thüringen hat im Februar entschieden, dass auch bei einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit im Rahmen eines Behindertenprogramms nicht abgeleitet werden kann, dass der Versicherte wettbewerbsfähig und unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes hatte tätig werden können. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht vor.

Der 1988 geborene Kläger ist in Folge einer Halswirbelverletzung durch einen Autounfall am 11. Juli 1990 im Kleinkindalter partiell querschnittsgelähmt, leidet an einer neurogenen Harn- und Stuhlinkontinenz und ist auf einen Rollstuhl angewiesen.

Durch ein Gutachten im Januar 2006 wurde festgestellt, dass das Leistungsbild eine Bürotätigkeit zulasse. Der Kläger sei zur Teilnahme am Arbeitsleben jedoch auf besondere Hilfen angewiesen. Daraufhin absolvierte der Kläger ab August 2007 eine dreijährige Ausbildung zum Bürokaufmann.

Im April 2013 beantragte der Kläger eine verminderte Erwerbsminderungsrente. Aus der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes ergab sich, dass beim Kläger eine in das Erwerbsleben eingebrachte Behinderung und Schwerpflegebedürftigkeit vorliege. Hinweise auf eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes innerhalb der letzten Jahre gebe es nicht. Deshalb lehnte die Beklagte die Rentengewährung ab – die allgemeine Wartezeit vor der Erwerbsminderung sei nicht erfüllt. Den daraufhin eingelegten Widerspruch wies sie ab.

Der Kläger erhob Klage vor dem Sozialgericht Altenburg und beantragte Prozesskostenhilfe. Zur Begründung gab er an, er habe eine Berufsausbildung absolviert, was bei einer vollen Erwerbsminderung nicht möglich gewesen wäre. Das spreche dafür, dass die Erwerbsminderung erst nach dem 11. Juli 1990 eingetreten sei.

Das Gericht lehnte durch Beschluss die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung führte es aus, die Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Erwerbsminderung am 11. Juli 1990 eingetreten sei und damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht vorlägen. Dem Vortrag des Beschwerdeführers, dass die Erwerbsminderung erst nach dem 11. Juli 1990 eingetreten sei, weil er von 2006 bis 2011 eine Berufsausbildung absolviert habe, sei nicht zu folgen. Dieser habe die Ausbildung nur unter den besonderen Bedingungen des Berufsbildungswerks absolviert.

Das Landessozialgericht Thüringen wies die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers mit der Begründung zurück, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Erwerbsminderungsrente lägen offensichtlich nicht vor.

Es führte dazu aus, dass hier ein sogenanntes „eingebrachtes Leiden“ vorläge, weil der Kläger bereits im Kleinkindalter eine Querschnittslähmung erlitten habe. Deswegen sei er zeitlebens voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch 6. Sein Vorbringen gäbe keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Der Kläger verkenne, dass die Erwerbsfähigkeit unter „den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes“ gegeben sein müsse. Folglich müsse er wettbewerbsfähig zu anderen Arbeitnehmern (ohne Behinderung) erwerbstätig sein können.

Im Übrigen sei das Vorbringen des Klägers nicht schlüssig, da er lediglich aus formalen Gründen (aufgrund des Gutachtens von 2006) zeitweise erwerbsfähig gewesen, nunmehr aber wieder aufgrund derselben Erkrankung bzw. Behinderung erwerbsgemindert sein wolle. Damit stehe im vorliegenden Fall fest, dass der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung bereits zu einem Zeitpunkt eingetreten war, in dem die allgemeine Wartezeit des § 50 Absatz 1 Sozialgesetzbuch 6 noch nicht erfüllt war und damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzung einer Rentengewährung noch nicht erfüllt waren.

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Veröffentlicht am

24.04.2015

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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