Das Sozialgericht Düsseldorf hat entschieden, dass auch die Kosten eines im Widerspruchsverfahren eingeholten Privatgutachtens von der Behörde zu erstatten sind, wenn die Einholung des Gutachtens "zur Vorbereitung des weiteren Verfahrens und/oder zur Erlangung der erforderlichen Sachkunde geboten war".

In dem entschiedenen Fall ging es um die Kosten eines im Widerspruchsverfahren eingeholten privaten Pflegegutachtens. Die betroffene Versicherte bezog zunächst Leistungen der Pflegestufe I. Sodann beantragte sie bei ihrer Pflegekasse eine höhere Pflegestufe. Die Pflegekasse lehnte diesen Antrag ab und verwies auf ein eingeholtes Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), nachdem lediglich ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 78 Minuten vorgelegen haben soll.

Die Versicherte erhob gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch. Zur Begründung des Widerspruchs beauftragte sie den Pflegesachverständigen X mit der Erstellung eines sogenannten Privatgutachtens. Der Pflegesachverständige führte einen Hausbesuch durch und kam entgegen dem Gutachten des MDK zu einem Hilfebedarf in der Grundpflege von 139 Minuten täglich. Die Ausführungen des Pflegesachverständigen wurden von dem Rechtsanwalt der Versicherten in die Widerspruchsbegründung eingearbeitet und das Gutachten beigefügt.

Aufgrund der Widerspruchsbegründung veranlasste die Pflegekasse eine erneute Begutachtung durch den MDK. Bei dieser Begutachtung wurde sodann ein Hilfebedarf der Pflegestufe III festgestellt. Dem Widerspruch wurde stattgegeben.

Die Pflegekasse war zwar bereit, die Rechtsanwaltskosten zu übernehmen, nicht aber die Gutachterkosten. Diese sei nicht notwendig gewesen, da der Pflegebedarf durch den MDK festgestellt werden könne, die Erstattung eines Privatgutachtens sei nicht notwendig gewesen. Hiergegen erhob die versicherte Klage.

Das Gericht gab der Klage auf Erstattung der Gutachterkosten statt und führte aus, die Kosten des Privatgutachtens des Pflegesachverständigen gehörten zu den erstattungsfähigen notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Unter welchen Voraussetzungen die Kosten für einen vorprozessuales Privatgutachten erstattungsfähig seien, könne nicht generell, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Maßgeblich sei, ob das Gutachten im Zeitpunkt seiner Einholung geboten und geeignet erschien, das Verfahren fördern. Abzustellen sei insbesondere darauf, ob die Einholung zur Vorbereitung des weiteren Verfahrens und/oder zur Erlangung der erforderlichen Sachkunde geboten war. In dieser Weise hab auch das Landessozialgericht Niedersachsen im Jahre 2001 entschieden. Danach seien die Kosten eines zur Vorbereitung des Rechtsstreits eingeholten Gutachtens erstattungsfähig, wenn eine schwierige Rechtslage zu beurteilen ist und es hierbei auf spezielle Fachkenntnisse ankommt; dies gelte insbesondere dann, wenn das Gutachten für die Entscheidung verwertet werde.

SG Düsseldorf, Urteil vom 03. Februar 2010 – S 39 P 82/06 – Rdnr. 16: Entgegen der Auffassung der Beklagten gehören die streitigen Kosten des Privatgutachtens des Pflegesachverständigen ... zu den erstattungsfähiger notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Unter welchen Voraussetzungen die Kosten für ein vorprozessuales Privatgutachten erstattungsfähig sind, kann nicht generell, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Maßgeblich ist, ob das Gutachten im Zeitpunkt seiner Einholung aus der Sicht einer verständigen, auf eine sparsame Verfahrensführung bedachten Partei geboten und geeignet erschien, das Verfahren unter entscheidungserheblichen Gesichtspunkten zu fördern. Abzustellen ist insbesondere darauf, ob die Einholung zur Vorbereitung des weiteren Verfahrens und/oder zur Erlangung der erforderlichen Sachkunde geboten war (vgl. Roos in von Wulffen, SGB X, § 63 Rd.-Nr. 13, 14 unter Hinweis auf den Beschluss des LSG Niedersachsen vom 22.08.2001 – L 3 P 12/01). Danach sind die Kosten eines zur Vorbereitung des Rechtsstreits eingeholten Gutachtens erstattungsfähig, wenn eine schwierige Rechtslage zu beurteilen ist und es hierbei auf spezielle Fachkenntnisse ankommt; dies gilt insbesondere dann, wenn das Gutachten für die Entscheidung verwertet wird.

Diese Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit eines Privatgutachtens im Widerspruchsverfahren seien hier erfüllt. So Widerspruchsbegründung sei eine medizinische und pflegerische Anamnese vor Ort erforderlich gewesen. Allein aufgrund der Feststellung im vorliegenden Gutachten des MDK hätte der Rechtsanwalt der Versicherten nicht detailliert zum abweichenden Hilfebedarf in der Widerspruchsbegründung Stellung nehmen können.

Anmerkung: In Hinblick auf die vom SG Düsseldorf angesprochene "sparsame Verfahrensführung" muss m.E. auch berücksichtigt werden, um welche Leistungshöhe es beim Widerspruchsverfahren für die Versicherten geht. Wird eine Höherstufung erreicht, sind i.d.R. beträchtlich höhere Pflegesachleistungen oder Geldleistungen zu erbringen, so dass sich dadurch auch die Gutacherkosten relativieren. Ferner ist zu berücksichtigen, dass durch eine Klärung im Vorverfahren ein sich sonst häufig anschließendes Klageverfahren vor dem Sozialgericht entbehrlich wird, in dessen Verlauf auf Kosten der Staatskasse regelmäßig ebenso kostenträchtige Pflegesachverständigengutachten eingeholt werden müssen.

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Veröffentlicht am

06.04.2015

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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