Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung einen sog. qualifizierten Dienstunfall auch im Falle einer Bedrohung anerkannt. Selbst wenn ein körperlicher Angriff abgewendet werden konnte, könne ein erhöhtes Ruhegehalt zustehen.

Der Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit als Richter am Amtsgericht im Dienst des Beklagten. Im Jahr 2007 wurde er nach einer Verhandlung von einem Verfahrensbeteiligten im Gerichtsgebäude beschimpft. Dritte konnten den Beteiligten noch von einem körperlichen Angriff auf den Kläger abhalten. Wegen dieses Vorfalls konnte der Kläger krankheitsbedingt keinen Dienst mehr leisten und wurde in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Der Beklagte erkannte den Vorfall als Dienstunfall an.

Der Kläger begehrte jedoch die Anerkennung eines qualifizierten Dienstunfalls aufgrund der Schwere des Angriffs. Er klagte durch sämtliche Instanzen und bekam schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig teilweise Recht.

Bei Berücksichtigung des systematischen Regelungszusammenhangs mit dem Dienstunfallbegriff, so die Bundesrichter, liege ein Angriff im Sinne der landesrechtlichen Bestimmungen i.V.m. § 37 Absatz 2 Nr. 1 BeamtVG vor, wenn sich der Beamte in Ausübung oder infolge des Dienstes einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Verhalten eines Dritten ausgesetzt sehe, durch das ihm zielgerichtet, d.h. zumindest mit bedingtem Vorsatz, ein Körperschaden zugefügt werden solle. Es sei nicht erforderlich, dass der Angriff zu der vom Täter beabsichtigten Körperverletzung des Beamten geführt habe. Es reiche vielmehr aus, dass dieser in der konkreten Gefahr der beabsichtigten Körperverletzung geschwebt habe und infolgedessen einen anderweitigen Körperschaden, insbesondere eine Verletzung der seelischen Integrität wie es hier der Fall sei, erlitten habe. Denn anderenfalls wären solche Fälle nicht erfasst, bei denen nur der Zufall eine körperliche Verletzung verhindert habe, der Beamte oder Richter aber wegen der erlittenen Bedrohung erheblich psychisch belastet und erkrankt sei.

BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 C 41/11: Der Begriff des rechtswidrigen Angriffs im Sinne von § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG setzt voraus, dass der Angreifer den Beamten wegen dieser Eigenschaft oder der dienstlichen Tätigkeit objektiv in die Gefahr einer Schädigung bringt. Es ist nicht erforderlich, dass der Angreifer den Beamten körperlich beeinträchtigt.

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Kommentare

XYZ
11.07.2013, 23:11 Uhr

Hallo, ich möchte euch über meine Vorfälle im Dienst als Vollstreckungsbeamter des Landes „A“ sowie über meine Erfahrungen mit meinem Dienstherr kurz erzählen. Nach mehreren Übergriffen im Dienst während meiner Vollstreckungstätigkeit u.a. Im Jahr 2008 versuchte ein „Kunde“ mich die Treppe runter zustoßen und im Keller zu sperren, dabei wurde ich am Oberkörper und Hinterkopf festgehalten, zum Boden und gegen die Wand gedrückt sowie massiv bedroht und beschimpft. Im Jahr 2010 versuchte ein „Kunde“ mich mit dem Auto zu überfahren und hat es beinahe geschafft. Im Jahr 2011 wurde ich während des Diensts im Amt angegriffen, massiv bedroht und verletzt. Einige Monate später bin ich erkrankt, die anschließende Dienstunfähigkeit besteht seit Frühjahr 2012. Die Ärzte haben bei mir Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert. Auf Anraten meines damaligen Arztes habe ich einen Antrag auf Anerkennung der Erkrankung als Folge der Dienstunfällen, nämlich aus 2008, 2010 und 2011 (die oben beschriebenen Vorfälle) gestellt. Die Reaktion des Dienstherrsnist vermutlich allen klar. Es wurde alles abgelehnt, alle drei Vorfälle wurden nicht anerkannt. Der erste Vorfall-> der Antrag sei verspätet eingegangen, der zweite und der dritte Vorfall -> der Dienstherr glaubt mir nicht dass ich an PTBS erkrankt bin, obwohl es von mehreren Ärzten bestätigt wurde auch vom Amtsarzt, außerdem sei ich bereits vorgeschädigt, nämlich der Vorfall aus dem Jahr 2008 der nicht als Dienstunfall anerkannt wurde. Meine Reaktion-> Einspruch danach ausführliche Begründung. Die Reaktion des Dienstherrs -> Widerspruchsbescheide natürlich Ablehnungen, mit selben Begründungen wie bei den ersten drei Ablehnungsbescheiden. Schließlich beauftragte ich einen Rechtsanwalt -> Klagen beim Verwaltungsgericht vor kurzem wurden Begründungen nachgereicht. Nun bin ich gespannt was der Richter sagt. Heute bin ich zufällig auf diesen Artikel vom Herr Köper gestoßen und hoffe dass diese Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht mir hoffentlich helfen wird die oben beschriebenen Vorfälle wenigstens als Dienstunfall anzuerkennen. Dem Herr Köper besten Dank für seine Mühe.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
20.03.2019, 14:07 Uhr

Nachtrag:

Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 14. November 2014 – 5 K 767/14.KO: Eine psychische Erkrankung kann ein Körperschaden im dienstunfallrechtlichen Sinne sein (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 29.10.2009 - 2 C 134/07). Der Beurteilung, ob bei Ausübung einer Diensthandlung eine besondere Lebensgefahr i. S. d. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG (§ 46 LBeamtVG (juris: BeamtVG RP)) vorlag, ist eine objektive ex ante Betrachtung zugrunde zu legen. Die Feststellung des Vorliegens einer besonderen Lebensgefahr ist mithin aus Sicht eines besonnenen und erfahrenen Durchschnittsbeamten zu beurteilen, so wie sich die Situation aus seiner Sicht im Zeitpunkt des Einsatzes dargestellt hätte.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
20.03.2019, 14:10 Uhr

Nachtrag:

Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 11. Januar 2017 – 3 K 738/16.NW: Unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Juni 2016 (BPOLP, 72-16 15 01 - 0025/13) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2016 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine einmalige Unfallentschädigung in Höhe von 150.000,00 € zu gewähren einschließlich Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 29. August 2016. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt. [...] Tatbestand: Der 1967 geborene Kläger stand im Dienste der Beklagten und ist Polizeihauptkommissar a.D. Er absolvierte während seiner Dienstzeit mehrere Auslandseinsätze. Im Rahmen eines Auslandseinsatzes, Verwendung im Hausordnungsdienst der deutschen Botschaft in L.., von Januar 2000 bis Januar 2001 ist es zu mehreren belastenden Ereignissen gekommen. Darüber hinaus hat der Kläger während Auslandseinsätzen in A.. in den Jahren 2009 und 2010 traumatische Erlebnisse gehabt. Einzelne bildhafte Erinnerungen dieses Geschehens haben bei ihm traumatische Erinnerungen aus dem Einsatz in N.. wieder aufleben lassen. Seit April 2010 befindet sich der Kläger wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) in psychiatrischer Behandlung, und zwar zunächst im Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZK) B.. bis zu seinem Umzug nach D.. und seit Juli 2012 beim BwZK K... Dort war er mehrfach in stationärer Behandlung und hat wiederholt an Intervalltherapien (jeweils zwei Tage im BwZK) teilgenommen.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
20.03.2019, 14:24 Uhr

Nachtrag:

BVerwG, Beschluss vom 08. Februar 2017 – 2 B 2/16: Die maßstäblichen Voraussetzungen eines sog. qualifizierten Dienstunfalls i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 C 51.11 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 4 Rn. 10 ff. m.w.N. und Beschluss vom 7. Oktober 2014 - 2 B 12.14 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 5 Rn. 10). Hiernach erfordert § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zunächst in objektiver Hinsicht eine Diensthandlung, mit der für den Beamten typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden ist. Die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts setzt damit eine Dienstverrichtung voraus, die bei typischem Verlauf das Risiko entsprechender Verletzungen in sich birgt, sodass deren Eintritt als Realisierung der gesteigerten Gefährdungslage und nicht als Verwirklichung eines allgemeinen Berufsrisikos erscheint (BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 - 2 C 17.98 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 2 S. 2 und Beschluss vom 7. Oktober 2014 - 2 B 12.14 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 5 Rn. 10). Ob die Diensthandlung für das Leben des Beamten eine solche Gefahr begründet hat, erfordert eine wertende Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls (BVerwG, Urteil vom 12. April 1978 - 6 C 59.76 - Buchholz 232 § 141a BBG Nr. 4 S. 4; Beschluss vom 30. August 1993 - 2 B 67.93 - juris Rn. 6 und vom 7. Oktober 2014 - 2 B 12.14 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 5 Rn. 10). Weiter ist für die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls erforderlich, dass der Beamte sich der Gefährdung seines Lebens bewusst ist; dieses Bewusstsein folgt in aller Regel bereits aus der Kenntnis der die Gefahr begründenden objektiven Umstände (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 C 51.11 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 4 Rn. 10 ff. m.w.N. und Beschluss vom 7. Oktober 2014 - 2 B 12.14 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 5 Rn. 10).


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Veröffentlicht am

30.04.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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