Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass der Einsatz einer angesparten monatlichen Beschädigtengrundrente als Vermögen zur Deckung eines sozialhilferechtlichen Bedarfs (hier: Eingliederungshilfe für die Heimerziehung) grundsätzlich eine Härte bedeutet und daher regelmäßig nicht verlangt werden kann.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Einsatz einer angesparten monatlichen Beschädigtengrundrente als Vermögen zur Deckung eines sozialhilferechtlichen Bedarfs (hier: Eingliederungshilfe für die Heimerziehung) grundsätzlich eine Härte bedeutet und daher regelmäßig nicht verlangt werden kann.
Die beteiligten Körperschaften streiten über die Erstattung von Kosten für die Unterbringung der 1983 geborenen Hilfeempfängerin in einer Jugendhilfeeinrichtung in der Zeit vom 1. August 1997 bis 31. März 2001. Die klagende Stadt Bielefeld hat als Trägerin der Jugendhilfe die Kosten von über 85 000 € vorläufig übernommen. Sie begehrt von dem beklagten Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Träger der Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) die Begleichung des noch offenen Restbetrages in Höhe von rund 20 000 €. Der Beklagte verweigert die Zahlung. Er beruft sich darauf, dass die Leistungen nicht in voller Höhe erforderlich gewesen seien. Die Hilfeempfängerin hätte eigenes Vermögen aus einer angesparten Beschädigtengrundrente einsetzen müssen. Diese Grundrente war der Hilfeempfängerin (nach § 1 OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz - BVG) zuerkannt worden, weil sie als Kind Opfer von Sexualstraftaten geworden war und sie hierdurch eine zur Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit führende Gesundheitsstörung erlitten hatte.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Grundrente sei nicht als Vermögen anzurechnen, da dies für die Hilfeempfängerin eine Härte bedeute. Dem ist das Oberverwaltungsgericht Münster gefolgt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt und die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Im Erstattungsstreit kann sich der Beklagte nicht auf die Verwertbarkeit der angesparten Beschädigtengrundrente berufen. Die Verwertung bedeutet nämlich im Allgemeinen für die Hilfeempfänger eine Härte (im Sinne des entsprechend anzuwendenden § 88 Abs. 3 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz - BSHG){1}. Die Grundrente ist eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität, die immateriellen (ideellen) Zwecken wie der Genugtuung für erlittenes Unrecht dient. Zwar soll sie zu einem geringeren Teil auch (materielle) Mehraufwendungen ausgleichen, die das Opfer infolge der Schädigung im Vergleich zu einem gesunden Menschen hat. Dennoch ist die Beschädigtengrundrente insgesamt nicht als Vermögen anzurechnen. Sie wird nämlich unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen pauschal und ohne Rücksicht auf einen im einzelnen Fall konkret nachzuweisenden Mehrbedarf gezahlt. Nach dieser Ausgestaltung hat der Gesetzgeber dem Anspruchsberechtigten die Entscheidungsfreiheit darüber überlassen, wann und wofür er die Mittel ausgibt. Art und Umfang dessen, was zum Ausgleich der Gesundheitsschädigung tatsächlich erforderlich ist, hängen insbesondere von den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen des Geschädigten ab. Eine zweckentsprechende Verwendung der Grundrente ist danach auch dann gegeben, wenn der Geschädigte das Geld nicht monatlich verbraucht, sondern es anspart und selbst bestimmt, wann und für welchen schädigungsbedingten Mehrbedarf er es einsetzt.
BVerwG 5 C 7.09 - Urteil vom 27. Mai 2010
{1}§ 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG = § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII lautet: (3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. …
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2010
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Veröffentlicht am
27.05.2010
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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