Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in einem aktuellen Verfahren zur Verwirkung eines Elternunterhaltsanspruchs Stellung genommen. Dabei hat es konkretisiert, wann eine schwere Verfehlung vorliegt. Soweit Ansprüche des eigentlichen Anspruchsinhabers auf einen Sozialleistungsträger übergegangen sind, muss in diesem Fall kein Elternunterhalt geleistet werden.
Der 1953 geborene Antragsgegner wuchs als einziges leibliches Kind mit seinen miteinander verheirateten Eltern auf. Diese trennten sich einige Jahre später, die Ehe wurde geschieden. Der Antragsgegner verblieb im Haushalt seiner Mutter und hatte anfangs noch einen losen Kontakt zu seinem Vater. Nach Erreichen des Abiturs im Jahre 1972 brach der Kontakt zum Vater, der einen Friseurbetrieb leitete, jedoch gänzlich ab und reagierte auch auf Annäherungsversuche seines Sohnes nur mit ablehnendem Gebaren. Als der Vater im Alter auf staatliche Unterstützung, namentlich Sozialhilfe, angewiesen war, erfuhr der Sohn davon zunächst nichts. Erst als nach dem Tod seiner Vaters der Sozialhilfeträger von ihm aus übergegangenem Recht über 9.000 Euro forderte, erlangte er davon Kenntnis.
Er führte aus, dass er trotz guten Einkommens nicht bereit sei, das Geld zu zahlen. Dies hat das Gericht bestätigt und dem Vater eine schwere vorsätzliche Verfehlung zu Last gelegt, die zu einer Verwirkung des Anspruchs führe.
Eine schwere Verfehlung nach § 1611 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müsse sich nicht in einzelnen, schwerwiegenden Übergriffen gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige ausdrücken. Ein solches Verständnis würde der Intention des Gesetzes nicht gerecht. § 1611 BGB sei vielmehr zusammen mit der Neuordnung des Nichtehelichenrechts umgestaltet worden. Die im Vergleich zur Vorgängervorschrift offenere Fassung bezwecke ausdrücklich eine Ausweitung des Anwendungsbereichs, um dem Einzelfall besser gerecht werdende Entscheidungen zu ermöglichen. Daher könne sich eine solche auch in anderen Handlungen oder Unterlassungen zeigen, die in ihrer Konsequenz für den Unterhaltspflichtigen genauso belastend wirkten wie einzelne schwere Verletzungshandlungen. Insbesondere ein Verhalten, dass in seiner Gesamtschau einen groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung erkennen lasse und infolge dessen den Unterhaltspflichtigen als Person herabwürdige, zurücksetze oder kränke, könne sich als eine schwere Verfehlung darstellen.
Wie der Antragsgegner dem Senat gegenüber glaubhaft geschildert habe, habe er nach dem Scheitern der Ehe seiner Eltern mehrfach von sich aus den Kontakt zu seinem Vater gesucht, um wieder eine Vater-Sohn-Beziehung herzustellen. Wenn der Vater dann auf die Mitteilung von dem bestandenen Abitur nur mit einem Achselzucken reagierte, bringe er deutlich zum Ausdruck, dass ihn jedenfalls ab 1972 die Person seines inzwischen fast erwachsenen Sohnes und dessen Zukunft nicht mehr berühre. Dieser Eindruck bestätige sich überdies auch in der Reaktion auf die Mitteilung von der beabsichtigten Verlobung, die der Vater nur mit den Worten "Du bist ja verrückt" quittierte. Er zeige dadurch offensichtlich kein Interesse an seiner Schwiegertochter und den Zukunftsplänen des Paares.
Auch habe der Vater, nachdem er auf Sozialhilfe angewiesen war, sich in keiner Sekunde um eine Kontaktaufnahme mit seinem Sohn bemüht. An einem über eine bloße Kontaktlosigkeit hinausgehenden endgültigen Bruch der Eltern-Kind-Beziehung bestehe daher kein Zweifel. Dies beruht auf einem dem Unterhaltspflichtigen anzulastenden Handeln, der durch das ablehnende Verhalten gegenüber seinem Sohn jede andere Entwicklung verhindert hat.
Kommentar: Dem Urteil ist ausdrücklich zuzustimmen. Es kann für die Beurteilung einer schweren Verfehlung nicht auf abstrakte Gesichtspunkte ankommen. Vielmehr muss in den Vordergrund gestellt werden, wie das Verhalten des ursprünglichen Anspruchsinhabers im Rahmen einer Gesamtschau tatsächlich wirkt. Kontaktieren Sie mich daher in Ihrem Fall gerne. Da Sozialhilfeträger stets bemüht und auch gesetzlich dazu verpflichtet sind, Unterhaltsverpflichtete zur Zahlung zu bewegen, sind derartige Verfahren keine Seltenheit.
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Veröffentlicht am
06.02.2013
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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