Das Bundessozialgericht hat mit nun veröffentlichtem Urteil vom 05.04.2012 entschieden, dass Einnahmen, die selbständig Erwerbstätigen während des Elterngeldbezuges aus Tätigkeiten vor dem Elterngeldbezug zufließen, auf das Elterngeld anzurechnen sind. Die Begründung ist nicht nachvollziehbar, das Urteil zu kritisieren.

Im entschiedenen Fall klagte ein selbständiger Fernsehredakteur, der für 2 Monate seinen Sohn betreute und seine selbständige Erwerbstätigkeit während dieser Betreuungszeit vollständig einstellte. Die Elterngeldstelle bewilligte ihm zunächst Elterngeld i.H.v. 1.800 € monatlich. Da der Fernsehredakteur jedoch auch während der Betreuungszeit Einnahmen zu verbuchen hatte, obwohl er in dieser Zeit nicht arbeitete, rechnete die Elterngeldstelle diese Einnahmen auf das Elterngeld an und reduzierte das Elterngeld schließlich per Bescheid auf 300 € monatlich. Der Fernsehredakteur sollte 3.000 € an Elterngeld zurückzahlen.

Während die erste und zweite Instanz, das Sozialgericht Köln und das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, der Klage des Fernsehredakteurs gegen den Erstattungsbescheid stattgaben, hob nun das Bundessozialgericht die vorangegangenen Urteile auf und bestätigte im Kern die Elterngeld-Rückforderung als rechtmäßig.

Zur Begründung führte das Gericht aus: Während bei Arbeitnehmern das vor der Geburt des Kindes laufend erzielte Arbeitsentgelt regelmäßig wegfällt oder sinkt, sobald sie "keine oder keine volle Erwerbstätigkeit" mehr ausüben, um ihr Kind zu betreuen, sind bei Selbstständigen tatsächliche Erwerbstätigkeit und Einkommensverlust nicht so eng verknüpft. Auch wenn sie ihre Arbeit unterbrechen, werden ihnen zumeist noch Betriebseinnahmen zufließen und weitere Betriebsausgaben entstehen.

Diese Begründung überzeugt in keiner Weise. Hierüber kann sich jeder selbständig oder freiberuflich Erwerbstätige nur maßlos wundern. Dass tatsächliche Erwerbstätigkeit und Einkommenserzielung auch bei Selbständigen in gleicher Weise "verknüpft" sind, wie bei Nichtselbständigen, ist offensichtlich. Die kausale Verknüpfung ist mangels Entgeltfortzahlungsansprüchen (Stichwort "Lohn ohne Arbeit") sogar ungleich intensiver. Bei Selbständigen gilt uneingeschränkt: Keine Arbeit - kein Entgelt. Die Urteilsbegründung liest sich hingegen so, als ob selbständig Erwerbstätige auch fürs (berufliche) Nichtstun Geld erhielten und während der Kindesbetreuung auf das Elterngeld nicht angewiesen seien. Den Betroffenen entstehen durch die Kinderbetreuung und die damit verbundene vorübergehende Tätigkeitsaufgabe selbstverständlich und denknotwendigerweise (mit einiger Latenz) Einnahmenausfälle , deren Ausgleich sozialpolitischer Sinn und Zweck des Elterngeldes ist. Nachträgliche Zahlungszuflüsse aus vorangegangener Arbeit während des Elterngeldbezuges ändern an diesem Prinzip nichts. Auf die Kindesbetreuung folgt der Umsatzeinbruch so sicher wie das Amen in der Kirche.

Die Entscheidung ist daher insgesamt als sozial unausgewogen deutlich zu kritisieren. Selbständig, bzw. freiberuflich und nichtselbständig Tätige werden hierdurch massiv benachteiligt und von der Kindesbetreuung abgehalten. Der zusätzliche bürokratische Aufwand bei der Antragstellung (EÜR-Rechnungen, Bilanzen etc.) trägt sein Übriges bei. Statt alledem sollte eine sinnvolle Elterngeld-Regelung Selbständigen den gleichen Einkommensausgleich bieten, wie Nichtselbständigen, wenn sie sich als Berufstätige der gesellschaftlich so ungemein wichtigen Kinderbetreuung widmen.


Kommentare

Edinger, Volker
19.09.2012, 11:58 Uhr

Hallo, vielen Dank für den interessanten Artikel, für ich stellt sich nur die Frage, habe ich eine Chance dagegen vorzugehen, weil genau der Fall mich gerade betrifft und das Sozialgericht nun mich nach zwei Jahren wieder angeschrieben hat und den Fall neu aufrollen will.


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Veröffentlicht am

08.08.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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