Das Landgericht Oldenburg hat entschieden, dass ein Versicherungsnehmer gegenüber seinem Versicherungsunternehmen einen Anspruch auf Einsichtnahme in ein Sachverständigengutachten hat, das das Versicherungsunternehmen zur Beurteilung eines Leistungsanspruchs hat erstellen lassen und auf dessen Grundlage die Leistungsentscheidung wesentlich beruht.

Die Parteien stritten über die Vorlage eines Sachverständigengutachtens im Rahmen einer Gebäude-Sturmversicherung. Das Urteil lässt sich auf andere Versicherungsbereiche übertragen und hat eine erhebliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Streitgegenstand war die Frage, inwieweit ein Sachverständigengutachten, das das Versicherungsunternehmen in Auftrag gegeben hatte und aufgrund dessen es Leistungsansprüche abgelehnt hatte, auch dem Versicherungsnehmer zugänglich gemacht werden musste.

Im Rahmen des privaten Krankenversicherungsrechts ist dies unproblematisch, da ein solcher Anspruch ausdrücklich aus § 202 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) folgt. Für alle anderen Versicherungsbereiche, also insbesondere zum Beispiel im Rahmen von Berufsunfähigkeitsversicherungen, kommt diese Norm jedoch nicht zur Anwendung. Das Gericht hatte hier im Rahmen der Schadenversicherung die Frage zu klären, ob ein Anspruch auf Einsichtnahme in Gutachten besteht. Dies hat das Gericht bejaht.

Maßgeblich sei in derartigen Fällen § 810 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach könne von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht in eine Urkunde u.a. verlangen, wer ein rechtliches Interesse daran habe, diese Urkunde einzusehen. Der Kläger, so das Gericht, habe als Versicherter ein rechtliches Interesse daran, das Gutachten des Sachverständigen einzusehen. Denn das Gutachten enthalte Feststellungen zur Schadensursache, die für den Leistungsanspruch von wesentlicher Bedeutung seien. Zwar habe die Versicherung dem Kläger abstrakt das Ergebnis der Begutachtung durch den Sachverständigen mitgeteilt. Dies reiche jedoch nicht aus. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse zu erfahren, welche Feststellungen der Sachverständige im Einzelnen getroffen hat.

Der Versicherungsnehmer, so das Gericht weiter, sei i.d.R. auf die Schadensermittlung des Versicherers angewiesen, u.a., weil er häufig nicht die finanziellen Mittel zur Einholung kostenträchtiger Sachverständigengutachten habe. Der Versicherte müsse dann zur Herstellung einer "Waffengleichheit" dem Versicherten Auskunft über und Einsicht in das Ergebnis des Sachverständigen erteilen. Ein professioneller Versicherer dürfe seine "überlegene Finanzkraft und Sachkunde nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers ausnutzen".

Das Gericht verurteilte die beklagte Versicherung daher, dem Kläger "Einsicht in das von dem Sachverständigen ... zur Schadensangelegenheit ... bei der Beklagten erstellte Gutachten zu gewähren". Weiter wurde die beklagte Versicherung verurteilt, dem Kläger außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,93 € erstatten. Als Streitwert setzte das Gericht ein Drittel des Entschädigungsanspruchs, dessen Geltendmachung vorbereitet werden sollte, fest.

Kommentar: Der Einblick in Gutachten ist für die Durchsetzung versicherungsrechtlicher Ansprüche regelmäßig unerlässlich. Sollte Ihre Versicherung Ihnen Einsicht in Sachverständigengutachten verwehren, kontaktieren Sie mich gerne.

Foto: © istockphoto.com

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Veröffentlicht am

23.05.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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