Das Sächsische Landessozialgericht hat in einer beachtenswerten Entscheidung die Rechte von schwerbehinderten Studentinnen und Studenten gestärkt. Dabei hat es in vorbildlicher Weise ausgeführt, dass den Betroffenen ein ausreichendes persönliches Budget zur Verfügung zu stellen ist, um mit entsprechender Assistenz selbstbestimmt zu leben und zu studieren.

Die im Jahr 1986 geborene Antragstellerin leidet unter Spinaler Muskelatrophie (SMA) vom Typ Werdnig-Hoffmann, einer Form des Muskelschwunds. Als Folgeerscheinungen bestehen mittlerweile unter anderem eine Skoliose, Kraftminderungen der Arme und Paresen der Beine. Zur Fortbewegung ist die Antragstellerin auf einen Rollstuhl angewiesen. Durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung wurde deshalb die Pflegestufe 3 festgestellt. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 100.

Nach Ablegung des Abiturs im Juni 2007 begehrte die bis dahin bei ihren Eltern lebende Antragstellerin den Antrag beim zuständigen Träger der Eingliederungshilfe die Übernahme von Kosten für den Besuch einer Hochschule, da sie zum Oktober 2007 ein Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften aufnehmen wollte.

Daraufhin bewilligte dieser für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2007 als Hilfe zum Besuch einer Hochschule und ergänzende Hilfe zur Pflege einen Betrag von 3.918,25 EUR monatlich zuzüglich notwendiger Fahrtkosten zur Verwendung als persönliches Budget, das sich in Leistungen des Sozialhilfeträgers in Höhe von 782,04 EUR als Hilfe zum Besuch einer Hochschule gemäß den §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch 12 und Leistungen in Höhe von 3.136,21 EUR als ergänzende Hilfe zur Pflege und Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß den §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch 12 in Verbindung mit § 55 Sozialgesetzbuch 9 aufschlüsselte.

Als die Antragstellerin daraufhin bemerkte, dass diese Leistungen nicht ausreichten, stellte sie schließlich vor dem Sozialgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. In einer skandalösen Entscheidung hat hierbei das Sozialgericht Leipzig den Anspruch der Studentin auf höhere Leistungen abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Antragstellerin sei es zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Die Verweigerung höherer Mittel für ein persönliches Budget stelle keinen Nachteil dar, der nicht mehr reparabel wäre. Die Antragstellerin könne vorläufig auf eine wohl kostengünstigere stationäre Pflegeeinrichtung oder in einer studentischen Wohngemeinschaft gleichaltriger behinderter Studenten verwiesen werden.

Dieser Entscheidung ist das Landessozialgericht, das die Antragstellerin darauf angerufen hat, mit aller Vehemenz entgegengetreten und hat zu Recht einen Anspruchsumfang bejaht, der der persönlichen Situation der Studentin gerecht wird. Der Verweis auf kostengünstigere Unterbringungen missachte das Ziel der gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe pflegebedürftiger behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft, wie es in Umsetzung von Art. 1 GG geboten ist und seinen Niederschlag in vielen Regeln des Sozialhilferechts gefunden hat.

Die Antragstellerin habe nach Ansicht des Gerichts plausibel dargelegt, dass eine stationäre Unterbringung mit Einschränkungen in den räumlichen Kapazitäten, im Tagesablauf und in den Kontaktmöglichkeiten verbunden wäre, die einer selbstbestimmten und diskriminierungsfreien Bewältigung des Studienalltags und einer der persönlichen und sozialen Entwicklung förderlichen Beteiligung am studentischen Leben entgegenstehen. Des Weiteren ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die Antragstellerin nunmehr die entsprechend ihrer intellektuellen Reife und ihres Lebensalters angemessenen Lebens- und Alltagsgestaltungen, die vergleichbaren nichtbehinderten Menschen zur Verfügung stehen, zu ermöglichen sind, soweit dies mit der Behinderung vereinbar ist.

Insoweit waren die Leistungen im notwendigen Umfang zu gewähren.

Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28.08.2008.

Hinweis: Bei Fragen zum rechtlichen Rahmen eines Studiums mit einer Behinderung kontaktieren Sie mich gerne. Vielfach sind die zuständigen Sozialhilfeträger mit der Entscheidungsfindung auch deshalb überfordert, weil sie über wenige vergleichbare Fälle entschieden haben und im Einzelfall die richtige Entscheidung treffen müssen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese Entscheidung für den betroffenen Studenten von entscheidender Bedeutung für seine persönliche Entwicklung ist. Umso wichtiger ist es daher, zu wissen, was tatsächlich genehmigungsfähig ist.


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Veröffentlicht am

09.03.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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