Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass eine sehbehinderte Schülerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer zweiten Kamera für das vorhandene Bildschirmlesegerät hat, soweit diese notwendig ist, um dem Unterricht in einer Regelschule adäquat folgen zu können.
Die Klägerin besucht eine Grundschule und leidet an einer an Blindheit grenzenden hochgradigen Sehschwäche. Sie besitzt ein Bildschirmlesegerät mit einer schwenkbaren Kamera, mit der sowohl das Tafelbild als auch andere, nicht zuletzt eigene Unterrichtsmaterialien durch Schwenken der Kamera auf dem Bildschirmlesegerät dargestellt werden können. Die Kosten hierfür hatte ihre Krankenkasse im Rahmen der Hilfsmittelversorgung übernommen.
Nunmehr machte sie geltend, dass es ihr durch das stets notwendige Schwenken und fortwährende Feinjustieren der Kamera nicht möglich sei, dem Unterricht adäquat zu folgen, da sie immer wieder neue Einstellungen vornehmen müsse. Deshalb beantragte sie die Übernahme der Kosten für eine zweite Kamera mit Schwenk-, Neige- und Zoom-Funktion beim zuständigen Träger der Eingliederungshilfe. Erst mit Nutzung einer solchen Kamera wäre für sie die vollständige Aufzeichnung aller Unterrichtsmaterialien, z.B. geographischer Karten, Bücher, Zeichnungen, usf. möglich.
Hiergegen hat der zuständige Träger der Eingliederungshilfe eingewendet, dass die Übernahme der Kosten der Krankenkasse obliege. Die zweite Kamera stelle gegenüber der bereits installierten stationären Tafelkamera ein neues Hilfsmittel dar und falle in den Leistungskatalog der Beklagten. Auf Grund des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe nach § 2 Sozialgesetzbuch 12 hat er somit den Antrag an die zuständige Krankenkasse weitergeleitet, welche somit unter Anwendung von § 14 Sozialgesetzbuch 9 zuständig geworden ist.
Das Gericht hat jedoch nunmehr klargestellt, dass eine Leistungsgewährung der Krankenkasse im Rahmen der Hilfsmittelversorgung nach § 33 Sozialgesetzbuch 5 ausscheide, da die in Rede stehende Kamera als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens aus dem Anwendungsbereich herausfalle. Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin die Kamera in Verbindung mit dem von der Krankenkasse übernommenen Kameralesesystem nutzt, rechtfertige nicht die Einstufung als Hilfsmittel.
Gleichwohl stehe der Klägerin die Übernahme für die Kosten einer geeigneten Kamera im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch 12 zu. Gemäß § 54 Sozialgesetzbuch 12 sind Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Gemäß § 12 Nr. 2 der zudem maßgeblichen Eingliederungshilfeverordnung würden auch Maßnahmen zu Gunsten körperlich behinderter Kinder und Jugendlicher umfasst, wenn diese erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern. Dies sei bei der Klägerin unstreitig der Fall. Durch den Einsatz der beantragten zweiten Kamera habe sie die Möglichkeit, das vorhandene Bildschirmlesesystem mit einer Kamera auf den Arbeitsplatz auszurichten und mit der zweiten Kamera den an der Schultafel geschriebenen Text zu erfassen.
Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist rechtskräftig.
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.11.2010.
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Veröffentlicht am
28.12.2010
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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