Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein hat in einem aktuellen Verfahren entschieden, dass der Träger der Eingliederungshilfe die Kosten für eine Petö-Therapie im Rahmen des Schulbesuches eines schwerstbehinderten Kindes zu übernehmen hat.
Der Kläger ist seit seiner Geburt im Jahre 1989 schwerstbehindert. Er leidet insbesondere an einer angeborenen Cerebralparese mit einer ausgeprägten Bewegungsstörung und einer psychomotorischen Störung. Seit frühester Kindheit hat er eine ganzheitliche Petö-Therapie erhalten. Die nach Professor Petö, Ungarn, benannte Form der Unterstützung umfasst Therapieformen, bei welchen die Kinder in möglichst homogenen Einheiten zusammen kommen. Gemeinsam mit Eltern und Ärzten erarbeiten die sogenannten Konduktoren für die Kinder Lerninhalte und Zielsetzungen, die sie in vielfältigster Weise fördern sollen.
Nunmehr ging es darum, dass diese Therapie bis zum Ende der Schulzeit weiter finanziert wird, um den Kläger überhaupt in die Lage zu versetzen, die Schule zu besuchen, dort den Lehrstoff aufzunehmen und zu verarbeiten.
Der zuständige Träger der Eingliederungshilfe hat die Übernahme der Kosten abgelehnt. Dabei hat er vor allem darauf verwiesen, dass die Petö-Therapie als eine medizinische Behandlung zu qualifizieren sei. Da jedoch die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossen sei, ergebe sich auch keine Verpflichtung des Sozialhilfeträgers auf Übernahme der Kosten. Hiergegen richteten sich Widerspruch und Klage. Erstinstanzlich hatte der Kläger bereits vor dem Sozialgericht in Schleswig Erfolg. Die dagegen erhobene Berufung des Sozialhilfeträgers vor dem Landessozialgericht hatte keinen Erfolg.
Rechtsgrundlage für die Übernahme der Kosten für die Petö-Therapie ist § 54 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 12 in Verbindung mit § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfeverordnung. Nach diesen Vorschriften sind Leistungen der Eingliederungshilfe die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung und bestehen in heilpädagogischen sowie sonstigen Maßnahmen zu Gunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Dabei gehören zu den methodischen Elementen heilpädagogischen Handelns u. a. die Wahrnehmungsförderung, Spielförderung, heilpädagogische Übungsbehandlung, Verhaltensmodifikation, Psychomotorik, Rhythmik, Werken, Gestalten, Musizieren sowie Sprach- und Kommunikationsförderung. Als Maßnahmen kommen folglich alle Maßnahmen in Betracht, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern. Die Möglichkeit einer Förderung knüpft an die Aussicht auf Erfolg an und bedingt einen auf die einzelne Person zugeschnittenen individuellen Prüfungsmaßstab. Dabei können wegen des Nachrangs der Sozialhilfe allerdings keine Maßnahmen gefördert werden, die originäre Aufgaben der Schulen sind. Eine Kostenübernahme für Maßnahmen, die zum Kernbereich der pädagogischen Arbeit gehören, kann daher nicht erfolgen. Für Hilfen außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit kann dagegen ein ergänzender Eingliederungsbedarf bestehen.
Zudem hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung der Behörde hinsichtlich des Ausschlusses falsch sei. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII darf der Sozialhilfeträger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zwar jeweils nur im Rahmen der Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenversicherung gewähren. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das aber nur für die medizinische Rehabilitation und die Teilhabe am Arbeitsleben, nicht für die soziale Rehabilitation. Um letztere ging es aber im vorliegenden Fall, da auch die Petö-Therapie als entsprechende Maßnahme anzusehen sei.
Hinweis: Die Kosten sind vorliegend auf den Schulbesuch begrenzt, da sich das Verfahren nur darauf erstreckte. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, darüber hinaus zu einer Finanzierung der Therapie zu gelangen. Kontaktieren Sie mich hierzu gerne.
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 28.09.2011.
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Veröffentlicht am
17.02.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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