Der Bundestag hat am 14.06.2013 das "Gesetz zur Beseitigung der Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung" beschlossen. Der verheißungsvolle Titel beinhaltet nichts weniger als die Einführung einer 4-Klassen-Medizin in Deutschland.

Mit dem bereits in den Medien angekündigten Gesetz werden einerseits die so genannten Säumniszuschläge in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 24 Sozialgesetzbuch (SGB) IV von monatlich 5 % auf 1 % herabgesetzt. Damit soll säumigen Beitragszahlern in der gesetzlichen Krankenversicherung der Ablauf von Beitragsschulden erleichtert werden.

Von größerer Relevanz ist allerdings die gleichzeitige Einführung eines so genannten „Notlagentarifs“ in der privaten Krankenversicherung. Rechtsgrundlage hierfür wird § 12h (VAG) Versicherungsaufsichtsgesetz sein. Der Beitrag soll sich auf monatlich ca. 100 € belaufen, allerdings Versicherungsschutz nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft vorsehen. Die ärztlichen Leistungen müssen außerdem zur Behandlung "erforderlich" (!) gewesen sein.

In § 193 Abs. 7 Versicherungsvertragsgesetz VVG wird weiter bestimmt, dass privat Versicherte, deren Versicherung bisher wegen Beitragsrückständen ruht, rückwirkend als zum Notlagentarif versichert gelten, wenn ihr bisheriger Beitrag höher lag. Auch dies soll - so der Plan - helfen, Beitragsschulden abzubauen.

Mit diesem zunächst positiv klingenden Änderungen wird tatsächlich eine neue, weiter benachteiligte Klasse von Versicherten geschaffen.

Die „4-Klassen-Medizin“ gliedert sich nun wie folgt:

1. Privat Versicherte in üblichen Tarifen (deren Versicherung leistet), 2. Gesetzlich (GKV-)Versicherte, 3. Basistarif-Versicherte, 4. Notlagentarif-Versicherte.

Schon von zahlreichen Versicherten im Basistarif, dessen Einführung viele bislang nicht Versicherte in den Krankenversicherungsschutz zurückholen sollte, ist zu hören, dass sie von Ärzten abgewiesen werden, denn diese erhalten teilweise für die Behandlung von Basistarif Versicherten weniger Gebühren, als für GKV-Versicherte (begrenzte GOÄ-Steigerungssätze, siehe § 75 Abs. 3a SGB V). Eine gesetzliche bzw. berufsrechtliche Behandlungsverpflichtung - außer in Notfällen - besteht für die Ärzte nicht (s. auch BT-Drucks. 17/4782). Im Basistarif Versicherte werden auf diese Weise bereits massiv benachteiligt. Wenigstens aber deckt diese Versicherung prinzipiell alle Leistungen der GKV ab.

Demgegenüber sollen die privat Versicherten im Notlagentarif nur noch bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen behandelt werden. Es steht zu erwarten, dass die privaten Krankenversicherer im Nachhinein häufig Leistungen verweigern werden mit der Begründung, es habe keine „akute Erkrankung“ und kein „Schmerzzustand“ vorgelegen oder die in Anspruch genommene Behandlung sei jedenfalls "nicht erforderlich" gewesen (Monty Pythons berühmter 'Kratzer'). Außerdem werden im Notlagentarif nach § 153 VAG bis zu 25 % der Prämie aus den bereits gebildeten Altersrückstellungen getilgt, was dann nach Ende des Notlagentarifs im Alter zu deutlich höheren Beiträgen führt. Damit stellt sich der Notlagentarif als eine für die Gesundheit dieser Versichertengruppe auf Dauer gefährliche Low-Budget-Versicherung nach amerikanischem Muster dar, die sicher zu Behandlungshemmnissen auf Seiten der Ärzte und der Versicherten führen wird.

Es ist auch davon auszugehen, dass ein Großteil der Versicherten im Notlagentarif "hängen bleiben" wird. Denn - dafür hat der Gesetzgeber gesorgt, - ein Wechsel […] aus dem Notlagentarif nach § 12 h des Versicherungsaufsichtsgesetzes ist ausgeschlossen“. Erst wenn alle rückständigen Prämienanteile einschließlich der Säumniszuschläge und der Beitreibungskosten gezahlt sind (häufig für Geringverdiener unbezahlbare Summen in Höhe mehrerer tausend Euro), lebt der alte Versicherungsschutz wieder auf.

Und selbst wenn das geschafft ist: Kann der alte Tarif auf Dauer nicht gehalten werden, heißt es wieder: Notlagentarif. Warum also, werden sich Geringverdiener fragen, soll ich meine Schulden begleichen?


Kommentare

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
17.08.2017, 13:23 Uhr

H I N W E I S : Das Ruhen des Versicherungsschutzes im Notlagentarif tritt nach der gesetzlichen Regelung in § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG trotz Beitragsschulden gar nicht erst ein oder endet, wenn "der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist oder wird; die Hilfebedürftigkeit ist auf Antrag des Versicherungsnehmers vom zuständigen Träger nach dem Zweiten oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bescheinigen." Das bedeutet: Wenn Ihre Versicherung wegen Beitragsschulden "ruht" und in den Notlagentarif überführt wurde und Sie Anspruch auf Grundsicherungsleistungen (Sozialhilfe oder 'Hartz-4') haben, sollten Sie eine entsprechende Bescheinigung oder den Leistungsbescheid der entsprechenden Behörde Ihrer privaten Krankenversicherung (unbedingt mit Zugangsnachweis, also per Einschreiben o.Ä.) übersenden und um Bestätigung bitten, dass das Ruhen beendet ist. Die privaten Krankenversicherer meinen übrigens, dass mit der Formulierung in § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG "Das Ruhen des Vertrages tritt nicht ein oder endet" gemeint sei, dass mit der Hilfebedürftigkeit, bzw. dem Leistungsbezug nach SGB II oder SGB XII zugleich der Notlagentarif endet. Die Versicherer wünschen für diesen Fall offenbar wegen der Beiträge, dass wieder der Volltarif "auflebt". Dies ist dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut allerdings nicht zu entnehmen. Das Einzige, was der Gesetzgeber enden lässt, ist das Ruhen, mithin die reduzierte Leistungspflicht des Versicherers. Hätte der Gesetzgeber ein Wiederaufleben des bisherigen Tarifs einschließlich des erhöhten Beitrags gewollt, hätte er ganz einfach formuliert: "Mit dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit wird der Vertrag ab dem ersten Tag des übernächsten Monats in dem Tarif fortgesetzt, in dem der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Ruhens versichert war". Dies hat er offensichtlich n i c h t getan, sondern schlicht denselben Wortlaut verwendet, wie in § 16 Abs. 3a Satz 4 SGB V. Danach endet lediglich das Ruhen der Leistungen. Eine Tarifänderung für den Fall der Hilfebedürftigkeit ist aus § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG jedenfalls nicht herauszulesen. Das bedeutet für den Versicherer: Volle Leistungen ohne Einschränkungen auf akute Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft bei gleichbleibendem Beitrag für den Notlagentarif. Sicherlicher ärgerlich für die Versicherer, aber nunmal Gesetzeslage. Das Beitragsdefizit im Notlagentarif wird im Übrigen teilweise dadurch kompensiert, dass auf die im Notlagentarif zu zahlende Prämie die Alterungsrückstellung in der Weise anzurechnen ist, dass nach § 153 Abs. 3 VAG bis zu 25 Prozent der monatlichen Prämie durch Entnahme aus der Alterungsrückstellung geleistet werden. Im Übrigen fehlt für den Notlagentarif eine Bestimmung zur Tarifhöhe für den Fall der Hilfebedürftigkeit, wie es sie in § 152 Abs. 4 VAG für den Basistarif gibt. Sinnvoll wäre sicherlich, die Beitragshöhen des Basis- und Notlagentarifs im Falle der Hilfebedürftigkeit einander entsprechen zu lassen, damit es auch keine Unklarheiten auf Seiten der Sozialeistungsträger (Jobcenter, Sozialamt) gibt, welche Beiträge vom Steuerzahler übernommen werden. Das Kuddelmuddel und Nebeneinander von Basis- und Notlagentarif ist abgesehen von diesem Problem aber ohnehin suboptimal und wird vermutlich bald wieder geändert.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
29.11.2017, 12:59 Uhr

Das Thüringer Oberlandesgericht meint übrigens, der Versicherer dürfe im Notlagentarif seine daraus zu erbringenden Leistungen mit alten Beitragsschulden aufrechnen. Das ist natürlich verfehlt und verkennt den sozialpolitischen Sinn der Vorschriften des VVG und VAG zum Notlagentarif, deren Anlehnung an § 16 Abs. 3a SGB V (siehe oben) und würde z.B. bei mehreren tausend Euro Beitragsrückständen bedeuten, dass die Ärzte und Krankenhäuser von 'Lieschen Müller' nicht einmal für die Behandlungen akuter Erkrankungen und Schmerzzuständen Geld erhalten würden, solange die Beitragsschulden nicht beglichen sind. Was soll dann der Notlagentarif? Man fragt sich, wie ein OLG zu einem solchen Ergebnis kommen kann. Man wundert sich auch, wie die Versicherer derart unethisch vorgehen können. Entsprechend hat auch das Oberlandesgericht Hamm abweichend und vollkommen zutreffend entschieden:

Eine Aufrechnung mit rückständigen Beiträgen ist im Notlagentarif ausgeschlossen. (OLG Hamm, Urteil vom 24. August 2016 – I-20 U 235/15 –, juris)

Claus
12.12.2017, 20:12 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper,

Sie schreiben (Zitat), "... dass ein Großteil der Versicherten im Notlagentarif "hängen bleiben" wird." Die Versicherer treiben die Rückstände gnadenlos ein (vollstreckbare Titel) und beantragen über die Amtsgerichte sogar die Abgabe einer Vermögensauskunft, wobei dann natürlich i.d.R. eine Ratenzahlung vereinbart wird. Irgendwann sind dann die Rückstände getilgt und das Spiel geht unter Umständen von vorne los. Es ist fraglich, ob dann abermals eine Ratenzahlungsvereinbarung angeboten wird.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
13.12.2017, 10:06 Uhr

Vielen Dank für Ihren Beitrag. Es bleibt abzuwarten, wie die Versicherer mit dem Notlagentarif im Einzelfall umgehen. Ist der Versicherte z.B. wegen einer chronischen Erkrankung sehr 'kostspielig', wird der Versicherer kein Interesse haben, den Notlagentarif durch Vereinbarung einer Ratenzahlung und Tilgung der Beitragsrückstände und Beitreibungskosten zu beenden und den alten Volltarif wieder aufleben zu lassen, weil dies für den Versicherer ein Minus-Geschäft wäre. Besteht hingegen für den Versicherer bei gesundem Versicherten die Aussicht, wieder Beiträge zu generieren, besteht eher ein Interesse an der Beendigung des Notlagentarifs. Ein interessantes Urteil hierzu:

(LG Köln, Urteil vom 22. März 2017 – 23 O 182/16 –: ) Der Versicherungsnehmer in einer privaten Krankenversicherung kann von seinem Versicherer nur dann aus dem Notlagentarif in den Volltarif zurückgeführt werden, wenn sämtliche rückständige Beitragsforderungen bezahlt sind. Nicht ausreichend ist es, wenn dass der Versicherer das Beitragskonto ausgleicht, indem er die Rückstände ausbucht.

In diesem Fall war es so, dass über das Vermögen des Versicherten ein Privatinsolvenzverfahren eröffnet wurde, was der Versicherer zum Anlass nahm, die Beitragsrückstände "auszubuchen", den Notlagentarif zu beenden, um dann wieder die vollen Versicherungsprämien einzuklagen. Die Klage des Versicherers wurde vom Gericht abgewiesen.

Ich halte es jedenfalls für sehr wahrscheinlich, dass die Anzahl der Versicherten im Notlagentarif stark zunehmen wird und es dann vermehrt zu Rechtsstreitigkeiten in diesem Bereich kommt, die durch die Gerichte zu klären sind.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
15.12.2017, 11:28 Uhr

Hier ist ein weiteres, interessantes Urteil zum Notlagentarif

OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2016 – 12 U 78/16 –: Stellt sich nachträglich heraus, dass der Krankenversicherer zu Unrecht die Voraussetzungen eines Ruhens des Vertrags gemäß § 193 Abs. 6 VVG gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend gemacht hat, kann dem Anspruch des Versicherers auf die Differenz zwischen dem Notlagentarif und der ursprünglich vereinbarten Prämie der Einwand der Treuwidrigkeit entgegen stehen.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
23.03.2018, 15:26 Uhr

Und noch ein einschlägiges Urteil zum Notlagentarif:

Der Versicherer [kann] nicht einseitig auf Beitragsforderungen verzichten und dadurch die Rechtsfolge herbeiführen, dass ein Krankenversicherungsvertrag gemäß § 193 Abs. 9 VVG aus dem Notlagentarif wieder in den ursprünglichen Tarif umgestellt wird . Die Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen eines Versicherers, wonach auf die Beiträge aus dem Notlagentarif Säumniszuschläge zu zahlen sind, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt. (Amtsgericht Medebach, Urteil vom 04. Oktober 2017 - 3 C 26/17 -).

Neuerdings sind einige Versicherer - in o.g. Fall die Central Krankenversicherung AG - nach dem Wechsel von Versicherten in den (sehr günstigen) Notlagentarif auf die Idee gekommen, auf Beitragsorderungen aus der Vergangenheit zu verzichten mit der anschließenden Behauptung, nun sei die Notlage beendet und es gelte wieder der ursprüngliche (teurere) Tarif. Dem hat das AG Medebach zu Recht eine Absage erteilt. Das Gericht schreibt dazu: "Wenn der Versicherer einseitig auf Forderungen verzichten und hierdurch den ursprünglichen Tarif wieder zur Geltung bringen könnte, würde dies gerade zur Folge haben, dass der Versicherte zu einem für ihn nicht vorhersehbaren Zeitpunkt mit weiteren Schulden belastet wird. Binnen kurzer Frist würde es in vielen Fällen - wie auch im vorliegenden Fall - dazu kommen, dass der Versicherer den Versicherten erneut mahnen und den Vertrag schließlich wieder in den Notlagentarif überführen müsste. Der Sinn und Zweck des Notlagentarifs würde durch diese Konsequenzen auf den Kopf gestellt."

Ferner heißt es dort zu den Säumniszuschlägen: Säumniszuschläge auf die Beiträge aus dem Notlagentarif stehen der Klägerin nicht zu; denn Säumniszuschläge entfallen gemäß der ausdrücklichen Regelung in § 193 Abs. 6 S. 1 und 2 VVG nur auf Versicherungen mit dem in § 193 Abs. 3 VVG vorgesehenen Leistungsumfang. Im Notlagentarif ist aber gemäß § 153 VAG ein deutlich geringerer Leistungsumfang vorgesehen. Die abweichende Regelung in § 8 Abs. 4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Notlagentarif ist unwirksam...

Auch das Landgericht Köln hat der einseitigen Beendigung des Notlagentarifs durch die Versicherer ein Riegel vorgeschoben:

Der Versicherungsnehmer in einer privaten Krankenversicherung kann von seinem Versicherer nur dann aus dem Notlagentarif in den Volltarif zurückgeführt werden, wenn sämtliche rückständige Beitragsforderungen bezahlt sind. Nicht ausreichend ist es, wenn dass der Versicherer das Beitragskonto ausgleicht, indem er die Rückstände ausbucht (LG Köln, Urteil vom 22. März 2017 – 23 O 182/16 -).

S.
30.10.2018, 14:15 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper,

besteht die Möglichkeit aus einem Notlagentarif der PKV heraus in die GKV zu wechseln?

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
30.10.2018, 14:24 Uhr

Sehr geehrter Herr S.,

diese Möglichkeit besteht, wenn Sie einen Versicherungstatbestand der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllen, ohne dass ein Ausnahmetatbestand greift, z.B. der Pflichtversicherung als unter 55-jähriger Beschäftigter oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze und unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze, der Familienversicherung, des Arbeitslosengeldbezugs usw., siehe u.a. § 5 Sozialgesetzbuch 5 oder § 10 Sozialgesetzbuch 5. Es genügt hierfür nach derzeitigem Recht grundsätzlich auch eine kurzweilige Versicherungsdauer, um anschließend über die obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Absatz 4 Sozialgesetzbuch 5 freiwilliges Mitglied der GKV zu bleiben.

G.
02.02.2019, 08:46 Uhr

Was passiert, wenn ich die Prämien im Notlagentarif nicht bezahle?

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
04.02.2019, 11:50 Uhr

Sehr geehrter Herr G.,

der Krankenversicherer wird dann vermutlich nach einigen Mahnungen und ggf. anwaltlichen Zahlungsaufforderungen einen Mahnbescheid beim Gericht beantragen oder Zahlungsklage erheben und nach Erlangung eines vollstreckungsfähigen Titels die Zwangsvollstreckung versuchen.

Gaby
26.02.2019, 12:41 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper, ist der "Notlagentarif" in der GKV ebenfalls beitragsvermindert, so wie es in der PKV der Fall ist? Herzlichen Dank vorab.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
26.02.2019, 13:08 Uhr

Vielen Dank für Ihre Anfrage - Einen Notlagentarif gibt es in der GKV derzeit nicht, das Pendant dazu wäre eher das "Ruhen der Leistungen" nach § 16 Abs. 3a Sozialgesetzbuch 5, wobei sich in der GKV durch die Anordnung des Ruhens der Leistungen die persönlichen Beitragshöhe nicht ändert, die "Beitragsuhr" tickt also in der GKV unverändert weiter - ist man z.B. freiwilliges Mitglied, muss man einkommensgerechte Beiträge zahlen, mindestens die von den Krankenkassen jeweils online angegebenen Mindesbeiträge. Immerhin wurde der Mindestbeitrag in der GKV für freiwillig versicherte Selbständige ab 2019 deutlich gesenkt auf ca. 150 € - 160 €.

M.
05.01.2021, 09:28 Uhr

Sehr geehrter Herr RA Köper, ich war früher durch meinen Ex-Mann privat versichert (Krankenversicherung). Während dessen erstanden Rückstände. Dann nach der Scheidung hat er sich gesetzlich versichert und ich habe den Vertrag bei der privaten KV mit allen Rechten und Pflichten übernommen. Seit dem ist den Krankenversicherungsbeitrag von mir pünktlich bezahlt. Jetzt bin ich alleine Versicherungsträger. Mein Ex hat schriftlich bestätigt, dass er alle Pflichten bezüglich der Rückstände übernimmt und hat Ratenzahlung vereinbart. Dank 100 Euro, die ich vom Jobcenter bekomme, lande ich nicht im Notlagentarif. Ich würde auf die JC-Leistungen schon verzichten, die Krankenversicherung fragt aber immer nach einer Hilfebedürftigkeits-Bestätigung. Die Frage ist, ob meine Krankenversicherung das Recht hat, mir immer mit dem Notlagetarif zu drohen? Und ob ich noch irgendwelche Möglichkeiten gibt, ohne JC-Leistungen im normalen Tarif zu bleiben? Die Beitragsrückstände kann ich gerade nicht bezahlen. Danke für Ihre Antwort im Voraus! Mit freundlichen Grüßen M.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
05.01.2021, 09:49 Uhr

Sehr geehrte Frau M., vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich wünsche Ihnen ein gutes und vor allem gesundes neues Jahr. Leider haben Sie nicht geschrieben, in welchem Tarif Sie versichert sind. Entweder sind Sie aktuell im Basistarif versichert, dann braucht der Versicherer die Hilfebedürftigkeitsbescheinigung zur Bestimmung der Beitragshöhe. Denn der Krankenversicherungsbeitrag im Basistarif halbiert sich, wenn man Leistungen vom Jobcenter bezieht. Wenn Sie noch im Ursprungstarif versichert sind, ist die Hilfebedürftigkeitsbescheinigung für die Frage von Bedeutung, ob die Versicherung ruht und Sie in den Notlagentarif überführt werden oder nicht. Bei Versicherten, die bereits in den Notlagentarif überführt wurden, endet das Ruhen der Versicherung, wenn Hilfebedürftigkeit eintritt, man also Leistungen vom Jobcenter bezieht. Lesen Sie dazu bitte, was ich oben erläutert habe. In jedem Fall sollten Sie dem Versicherer stets die Hilfebedürftigkeitsbescheinigung übersenden, um Nachteile zu vermeiden. In ihren ursprünglichen Volltarif kommen Sie nur zurück, wenn alle Beitragsschulden und Beitreibungskosten beglichen sind. In die gesetzliche Krankenversicherung können Sie nach derzeitiger Rechtslage - wenn sie über 55 Jahre alt sind - nur zurückkehren, wenn sie einen Ehegatten/Lebenspartnerin haben, der/die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist und Sie die Voraussetzungen für die Familienversicherung erfüllen. MfG RA Köper


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Veröffentlicht am

02.07.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

Hinweis

Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

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