Ein Mandant berichtet mir, dass ihm von der Heimleitung untersagt worden sei, die Pflegeeinrichtung zu verlassen. Dies ist nach geltender Rechtslage unzulässig und stellt eine freiheitsbeschränkende Maßnahme zu Lasten der älteren Menschen dar, die vom Betreiber aufzuzeichnen ist und gegen die ggf. rechtlich vorgegangen werden kann.

Alte Dame im Sessel

Betreiber von Pflegeeinrichtungen (in Hamburg: Wohneinrichtungen) sind nicht befugt, gegenüber ihren Bewohnerinnen und Bewohnern freiheitsbeschränkende Maßnahmen anzuordnen, die über die jeweilige Landesverordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie (in Hamburg HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 2. April 2020, gültig ab 13. Mai 2020) hinausgehen. In Hamburg regelt diese Verordnung z.B. das Betreten von Pflegeeinrichtungen, z.B. zu Besuchszwecken, nicht aber das Verlassen. Seinen Bewohnern zu untersagen, die Einrichtung zu verlassen oder das Verlassen nur zu bestimmten Zwecken zuzulassen, ist eine sog. freiheitsbeschränkende Maßnahme. Solche Maßnahmen müssen die Betreiber nach den jeweiligen Landesgesetzen auch dokumentieren (in Hamburg nach § 17 Abs. 1 Nr. 7 Hamburgisches Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz - HmbWBG vom 15. Dezember 2009, zuletzt geändert am 4. Oktober 2018 (HmbGVBl. S. 336). Danach sind Aufzeichnungen zu führen über "die Art, der Zeitpunkt, die Dauer und der Grund freiheitsbeschränkender oder freiheitsentziehender Maßnahmen bei Nutzerinnen und Nutzern unter Angabe der für die Veranlassung der Maßnahme verantwortlichen Person und der betreuungsgerichtlichen Genehmigung". Betreiber, die gegenüber ihren Bewohnerinnen und Bewohnern "Ausgangssperren" verhängen, die rechtlich nicht durch entsprechende (gültige) Verordnungen der Landesregierung oder parlamentarische Gesetze (letztere werden in Kürze rechtlich zwingend erforderlich sein) gedeckt sind, risikieren daher, sich wegen Freiheitsberaubung strafbar zu machen. Betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern empfehle ich, sich bei Fragen hierzu an die zuständige Aufsichtsbehörde (in Hamburg bezirkliche Wohn-Pflegeaufsicht) zu wenden. Pflegeheimbetreibern ist zu empfehlen, sich ggf. bei ihrem Verband rechtlich zu erkundigen, was sie dürfen und was nicht.


Kommentare

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
24.08.2020, 14:22 Uhr

Nachtrag: Es wundert sehr, dass die Covid-19-bedingten Grundrechtseinschränkungen in Hamburg nach wie vor in Form einer Verordnung gelten sollen (Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO (gültig ab 8. August 2020). Dies wäre eigentlich nach der sog. Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

"Aufgabe des Gesetzgebers, denn sie berührt grundrechtlich wesentliche Belange. Dies folgt aus dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Dieser verpflichtet den parlamentarischen Gesetzgeber, wesentliche, für die Grundrechtsverwirklichung maßgebliche Regelungen selbst zu treffen und nicht anderen Normgebern oder der Exekutive zu überlassen." (BVerfG, Urteil v. 19. Dezember 2017,- 1 BvL 3/14 -, - 1 BvL 4/14 - m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund erstaunt, dass die in Form einer Verordnung veröffentlichte Regelung nicht schon längst (was ohne Weiteres hätte geschehen können) als Gesetzentwurf in die Hamburgische Bürgerschaft eingebracht wurde. Seit Inkrafttreten der ersten Verordnung sind bereits M o n a t e verstrichen. In dieser Zeit hätte die Bürgerschaft ohne Schwierigkeiten als förmlicher Gesetzgeber ein entsprechendes Gesetz in aller Breite diskutieren und verabschieden können. Wenn man jedenfalls betracht, in welcher Geschwindigkeit die Parlamente in dringenden Fällen weitaus komplexere gesetzliche Regelungen verabschieden können, dürfte mangelnde Zeit kein Argument sein. Es dürfte jedenfalls nicht mehr lange dauern, bis das erste Verwaltungsgericht "Corona-Verordnungen" wegen Verstoßes gegen den Vorbehalt des Gesetzes kippt.


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Veröffentlicht am

13.05.2020

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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