Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19. Dezember 2012 entschieden, dass die "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)" ("Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler"), die der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes am 27. Oktober 2008 erließ, grundsätzlich nicht zu beanstanden sind.
Seit 1. Januar 2009 regeln diese Grundsätze die Beitragsbemessung für inzwischen mehr als 5 Mio freiwillig in der GKV versicherte Personen. Die Rechtmäßigkeit der Bestimmungen ist sowohl innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit als auch in der Fachliteratur umstritten. Das Bundessozialgericht hat nun ein Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden aufgehoben, welches eine darauf gestützte Beitragserhebung ebenfalls als rechtswidrig angesehen und nur die Erhebung von Mindestbeiträgen für zulässig erachtet hatte.
Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass rechtliche Bedenken gegen die Übertragung der Befugnis zur Regelung der Beitragsmessung für freiwillig Versicherte auf den GKV-Spitzenverband nicht durchgreifen. Die durch § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch angeordnete untergesetzliche Rechtsetzung ist im Rahmen der "funktionalen Selbstverwaltung" hinreichend demokratisch legitimiert. Dass die Grundsätze zunächst vom Vorstand des GKV-Spitzenverbands erlassen wurden, ist unschädlich, weil später jedenfalls eine auf den 1. Januar 2009 zurückwirkende "Bestätigung" durch den Verwaltungsrat erfolgte.
Im konkreten Fall ging es um die Beitragsbemessung des bei einer AOK freiwillig versicherten pflegebedürftigen Klägers, der in einer stationären Einrichtung lebt und Sozialhilfeleistungen bezieht. Die AOK erhöhte seine Krankenversicherungsbeiträge zum 1. Juli 2009 um 35 Euro auf 184,81 Euro monatlich, weil nach den genannten Grundsätzen als Bemessungsgrundlage für den Personenkreis, zu dem der Kläger gehört, der 3,6-fache Sozialhilferegelsatz gelte. Diese Berechnung hat das Bundessozialgericht allerdings beanstandet. Sie bewirkt nämlich, dass zu Unrecht Beiträge auch auf Leistungen miterhoben werden, die nicht - was zulässig ist - für den Lebensunterhalt der Betroffenen bestimmt sind, sondern über allgemeine Wohnkosten hinaus zweckgebunden dazu dienen, einen besonderen, den Heimaufenthalt erfordernden Pflegebedarf auszugleichen. Insoweit knüpft das jetzige Urteil an Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2011 an (Urteil vom 21. Dezember 2011 ? B 12 KR 22/09 R). Da eine abschließende Entscheidung in der Sache noch die Ermittlung der konkreten Einnahmen des Klägers erfordert, muss das Sozialgericht Wiesbaden darüber nun erneut verhandeln und entscheiden.
Az.: B 12 KR 20/11 R W. ./. AOK die Gesundheitskasse in Hessen
Quelle: Medieninformation Nr. 30/12 des Bundessozialgerichts vom 19.12.2012
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04.01.2013
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Rechtsanwalt David Andreas Köper
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16.03.2018, 12:50 Uhr
Zum 01.01.2018 hat es eine Neuregelung zur Beitragsfestsetzung bei freiwilligen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in § 240 Absatz 4a Sozialgesetzbuch 5 gegeben. Danach wird die Beitragshöhe auf Basis des letzten vorliegenden Einkommensteuerbescheides für die darauffolgende Zeit zunächst vorläufig und sodann, nach Vorliegen des nächsten Einkommensteuerbescheides für dessen Veranlagungszeitraum endgültig festgesetzt. Dies kann dazu führen, dass man je nach Einkommensentwicklung entweder "in Vorkasse" treten muss und ggf. später eine Erstattung, bzw. Beitragsverrechnung erhält oder später eine Nachzahlung leisten muss. Selbständige mit steigenden Einnahmen sollten sich daher neben dem sprichwörtlichen Einschlag der sog. "Steuerbombe" (Nachzahlung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen) auch auf eine "Beitragsbombe" der Krankenkasse gefasst machen und entsprechende Rücklagen bilden, sonst kann es eng werden. Im Notfall sollte man dann Stundungs- und Ratenzahlungsanträge stellen.