Das Oberlandesgericht Köln hat in einem aktuellen Verfahren entschieden, dass im Rahmen der Nachprüfung einer Berufsunfähigkeit nur dann Observierungen vorgenommen werden dürfen, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt. Andernfalls sind solche Ermittlungsmethoden nicht erlaubt.

Der Kläger, der aufgrund eines Unfalls Leistungen seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bezog, hatte in einem von ihm ausgefüllten Fragebogen gegenüber der Versicherung angegeben, seine berufliche Tätigkeit bestehe aus „Bürobesprechungen“ mit einem Stundenaufwand von ca. 2 Stunden täglich an 2-3 Tagen in der Woche; er habe die kaufmännischen Arbeiten weitgehend delegiert und arbeite „nur noch in minimalem Umfang“. Diese Angaben waren mit den Angaben, die sich zum damaligen Zeitpunkt auf der Internet­präsenz des Unternehmens befanden, nicht plausibel in Einklang zu bringen. Dort wurde der Kläger nicht nur im Rahmen der Angaben zur Handelsregistereintragung als Geschäftsführer ge­nannt, sondern auch bei dem „für die Leistung und Ausführung vorge­sehenen technischen Personal“ an erster Stelle mit Angabe seiner Funk­tion als Ge­schäfts­führer sowie sämtlichen Kontaktdaten aufgeführt. Das legte nahe, dass der Kläger tatsächlich in einem weitaus größeren Umfang als im Fragebogen mitgeteilt für das Unternehmen tätig war.

Ein weiteres Verdachtsmoment dafür, dass der Kläger gegenüber dem Versicherungsunternehmen nicht zutreffende Angaben gemacht hatte, ergab sich aus den Internet-Recherchen der Versicherung über seine Teilnahme an mehreren Motorradrennen. Als in Folge seines Unfalls auftretende Beschwerden hatte der Kläger zuvor jedoch „stark einge­schränkte Gehstrecken, Schmerzen in Rücken und Beinen, Kopfschmerzen, fehlende geistige und körperliche Belastbarkeit“ angegeben. Diese Angaben waren mit der Teilnahme an Motorradrennen, die sowohl hinsichtlich der Konzentration als auch der körperlichen Belastung hohe Anforderungen an den Fahrer stellen, nicht in Einklang zu bringen.

Insoweit veranlasste die Versicherung eine Observation des Klägers durch eine Detektei. Hiergegen wandte sich der Kläger.

Das Gericht unterstrich in seiner Urteilsbegründung, dass Observationen grundsätzlich unzulässig seien. Die im Versicherungs­verhältnis geltenden besonderen gegenseitigen Treuepflichten würden die Vertragsparteien demnach verpflichten, umfassend und wahrheitsgemäß über die vertragserheblichen Umstände zu informieren. Im Gegenzug sei der Versicherer verpflichtet, bei der Nachprüfung der Angaben des Versicherungsnehmers die berechtigten Interessen und Rechtsgüter des Versicherungsnehmers zu wahren. Eine Überprüfung der Auskünfte des Versicherungsnehmers mit verdeckten Ermittlungsmethoden wie der Observierung sei mit dem im Versicherungsverhältnis geltenden Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme grundsätzlich nicht vereinbar. Kein Vertragspartner müsse hinnehmen, dass der andere ihn grundlos bespitzelt.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte aber dann, wenn der über bloße Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hinausgehende begründete Verdacht für ein vorsätzlich vertragswidriges Verhal­ten des Versicherungsnehmers bestehe. Insbesondere bei Verdacht auf ein arglistiges Vorgehen müsse es dem Versicherer möglich sein, durch verdeckte Ermittlungen Erkenntnisse zu gewinnen. Denn bei Arglist bestehe für den Fall der offenen Nachfrage beim Versicherungsnehmer die Gefahr, dass dieser Beweismittel unterdrücke oder auf andere Weise sein vertragswidriges Verhalten verschleiere.

Will der Versicherer verdeckte Ermittlungsmethoden wie eine Observation anwenden, so müsse er konkrete Anhaltspunkte für eine Vertragsverletzung des Versicherungsnehmers liefern. Hierbei gelte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass hierbei alle Aspekte des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Es kann also sein, dass die Grenze für eine Observation im einen Fall bereits erreicht ist, im anderen jedoch noch nicht. Im hier vorliegenden Verfahren entschied das Gericht zugunsten der beklagten Versicherung, dass die Observation hier angemessen war, um den tatsächlichen Sachverhalt aufzuklären.

Hinweis: Das Gericht hat in differenzierter Weise deutlich gemacht, dass man sich nicht bespitzeln lassen muss. Ausnahmsweise können Observationen jedoch angemessen sein. Da dies aber stets eine Frage des Einzelfalls ist, sollten Sie sich rechtlich beraten lassen, wie die Sachlage in Ihrem Fall ist. Häufig setzen Versicherungen Detektive ein, obwohl dies überhaupt nicht geboten ist. In einem solchen Fall bestehen vertragliche und gesetzliche Unterlassungs- und ggf. Schadensersatzansprüche. Gewonnene Erkenntnisse dürfen darüber hinaus häufig nicht verwertet werden.

Foto: © Stefan Körber - Fotolia.com

31212


Kommentare


Seien Sie die erste Person, die einen Kommentar zu diesem Artikel abgibt.


Kommentar schreiben

Veröffentlicht am

08.04.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

Hinweis

Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)

Downloads