Das Bundessozialgericht hatte in einem aktuellen Verfahren darüber zu entscheiden, ob bei Violinisten die Anerkennung einer Halswirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit oder Wie-Berufskrankheit in Betracht kommt.
Der Kläger war nach abgeschlossenen Musikstudium von 1949 bis 1995 als Violinist tätig, zuletzt bei der Staatskapelle Berlin. Bei ihm lag unstreitig eine Schädigung der Halswirbelsäule vor. Er machte nun beim beklagten Unfallversicherungsträger geltend, er habe über Jahrzehnte mit Zwangshaltung der Halswirbelsäule und Überlastung der Schultergelenke gespielt, was zu der Schädigung geführt habe. Die Beklagte lehnte sowohl eine Berufskrankheit nach der Nr. 2101 und der Nr. 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung sowie zudem auch die Entschädigung als sogenannte Wie-Berufskrankheit nach § 9 Absatz 2 Sozialgesetzbuch 7 ab. Unter Wie-Berufskrankheiten sind solche zu verstehen, die noch nicht in der genannten Anlage veröffentlicht sind, aber unter bestimmten Voraussetzungen von der Berufsgenossenschaft "wie" eine Berufskrankheit anerkannt und entschädigt werden können.
Hiergegen klagte der Kläger durch die Instanzen und verlor. Auch seine Revision vor dem Bundessozialgericht in Kassel war letztlich erfolglos. Zu Recht hätten die Vorinstanzen entschieden, dass die Schädigungen nicht als Wie-Berufskrankheit anerkannt werden könnten. Eine solche könne nur dann anerkannt werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung der der Anlage erfüllt seien. Streicher seien sicherlich, das gestand das Gericht zu, einer erheblich höheren Einwirkung aufgrund der "Schulter-Kinn-Zange" ausgesetzt als die restliche Bevölkerung. Dies allein rechtfertige allerdings nicht die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit. Hierfür fehlten vielmehr gesicherte medizinische Erkenntnisse. Dass einzelne Mediziner, wie in eingeholten Gutachten zu ersehen, eine Krankheitsverursachung für wahrscheinlich hielten, genüge nicht. Vielmehr müssten Sachverständige mit fundierter Sachkenntnis weit überwiegend zu dem identischen Ergebnis kommen. Einzelfallstudien seien dabei als Beweis heranziehbar, genügten für sich alleine jedoch nicht.
Ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz liege zudem nicht vor. Dass aufgrund der recht kleinen Berufsgruppe gesicherte Erkenntnisse noch fehlten bzw. schwer zu beschaffen seien, sei vom Gesetzgeber im Rahmen der vorgenommen Typisierung gewollt.
Kommentar: Das Urteil erscheint für den Betroffenen zunächst nicht unbedingt verständlich. Es ist vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Entscheidung jedoch einzig und allein eine politische Frage, ob künftig andere Maßstäbe angelegt werden können. Als betroffene Berufsgruppe kommt es darauf an, möglichst im Vorfeld zu evaluieren, wie erfolgreich eine derartige Klage sein kann. Hierfür kommt es insbesondere auf die medizinischen Erkenntnisse an.
Foto: © Thomas Becker - Fotolia.com
18613
Kommentare
Kommentar schreiben
Veröffentlicht am
24.06.2013
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
Hinweis
Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.
Urheber
© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)
Seien Sie die erste Person, die einen Kommentar zu diesem Artikel abgibt.