Das Hessische Landessozialgericht hatte über die Versorgung mit einer sogenannten Mamma-Augmentationsplastik zu entscheiden. Darunter wird eine Brustvergrößerung verstanden, bei der es zu einer Geschlechtsangleichung kommen soll. Ziel ist es, den bestehenden Leidensdruck wegen des Konflikts zwischen äußerem Erscheinungsbild und seelischem Empfinden zu lindern oder zu beenden. Der Maßstab für die Entscheiung über eine Kostenübernahme müsse jeder ein objektiver sein, urteilte das Gericht.
Die Klägerin wurde seit März 2005 aufgrund einer Mann-zu-Frau-Transsexualität mit gegengeschlechtlichen Hormonen behandelt. Mit entsprechenden Anträgen begehrte sie von ihrer Krankenkasse u.a. eine geschlechtsangleichende Operation, eine Epilationsbehandlung sowie eine beidseitige Mamma-Augmentationsplastik. Diese lehnte eine Übernahme ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es von Natur aus völlig unterschiedliche Entwicklungsumfänge der Brust gäbe. Ein kleiner Brustumfang entspreche ebenso wie ein großer Brustumfang dem Leitbild einer Frau. Möglicherweise bestehende medizinische Leitvorstellungen vom Umfang der weiblichen Brust seien für den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ebenso unerheblich wie eine von der Versicherten entwickelte subjektive Vorstellung.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch sowie die Klagen der Klägerin vor den Instanzgerichten, zuletzt vor dem Landessozialgericht des Landes Hessen in Darmstadt. Sie blieben ohne Erfolg. Es ist jedoch zu betonen, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne präjudizielle Wirkung handelt.
Grundsätzlich setzt die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse eine Krankheit voraus. Jedem klar sein sollte jedoch insoweit, dass aus der Besonderheit der Transsexualität der Krankheitsbegriff modifiziert werden muss, um zu sachgerechten Ergebnisse zu kommen, die auch den Bedürfnissen von Transsexuellen Rechnung trägt.
Die geschlechtsangleichenden Maßnahmen stellten sich, so sagt es das Gericht, aus der Perspektive des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung vor diesem Hintergrund als ultima ratio dar, die eine Linderung des Leidensdrucks aufgrund des Auseinanderfallens der Geschlechteridentität bewirke. Mithin gehe es hierbei weder um die Heilung im Sinne einer Herstellung von Körperfunktionen noch um eine auf einen mittelbaren Heilerfolg bei einer psychischen Erkrankung zielenden Heileingriff, wie bei einer psychischen Fehlverarbeitung der Unzufriedenheit mit eigenen körperlichen Merkmalen. Dass diese Linderung des Leidensdrucks am äußeren Erscheinungsbild ansetzen könne und müsse, sei allgemein anerkannt. Die bisher ergangene obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung leite aus dieser Voraussetzung auch Umfang und Grenzen des Anspruches aus § 27 Absatz 1 Satz 1 Soziagesetzbuch 5 ab. Der Behandlungserfolg, für den die Krankenkasse einzustehen hat, bemesse sich dabei auch bei einem bestehenden Leidensdruck wegen des inneren Konfliktes zwischen äußerlichem Erscheinungsbild und seelischem Empfinden nicht nach der subjektiven Vorstellung der betroffenen Person. Maßgebend sei vielmehr, ob aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eingetreten sei. Es bestehe jedoch kein Anspruch auf eine möglichst große Annäherung an ein vermeintliches Idealbild.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sei daher auch nicht allein auf das Erscheinungsbild der weiblichen Brust abzustellen, sondern auf das Gesamtbild. Die Bewertung dieses Gesamtbilds sei Aufgabe des Gerichts. In diesem Fall sei aus dessen Sicht bereits ohne eine entsprechende Maßnahme eine hinreichende Annäherung im krankenversicherungsrechtlichen Sinne eingetreten. Dass es immer noch subjektiv besser gehe, dafür sei nicht die Solidargemeinschaft verantwortlich.
Kommentar: Die Entscheidung ist aus meiner Sicht maßgeblich davon bestimmt, der Kostenübernahme bei geschlechtsangleichenden Operationen von Transsexuellen Grenzen einzuziehen. Eine Grenzziehung darf sich jedoch nicht in abstrakten Äußerungen verlieren und das Wesentliche aus den Augen verlieren. Vielmehr kommt es darauf, die konkrete Situation eines jeden einzelnen zu berücksichtigen. Dies hat auch das Gericht erkannt, indem es sich selbst die letzte Entscheidung über die Bewertung eines solchen Falls überlässt. Wie so oft kommt es also auf den Einzelfall an. Kontaktieren Sie mich daher gerne bei Fragen.
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Veröffentlicht am
31.12.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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