Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass Versicherungen ihre Versicherten genau in gesetzlich vorgeschriebener Form zu Anzeigepflichtverletzungen belehren müssen. Tun sie das nicht, können sie den Vertrag ggf. nicht angreifen, um nicht zahlen zu müssen.

In dem entschiedenen Fall ging es um eine Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit einer versicherten Rente von 18.000,00 €/Jahr, d.h. 1.500,00 € pro Monat. Nachdem der Versicherte wegen Berufsunfähigkeit seine Rente beantragt hatte, griff der Versicherer den Vertrag an, um nicht zahlen zu müssen, d.h. er erklärte die "Anfechtung" des Vertrages. Nachdem dies nicht funktionierte und er in der ersten Instanz zur Zahlung der Rente verurteilt wurde, ging es in einem Berufungsverfahren noch um die Frage, ob der Versicherer die Berufsunfähigkeitsversicherung wegen einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherten rückwirkend anpassen, d.h. die entscheidenden Erkrankungen ausschließen konnte.

Im Berufungsverfahren wurde darüber gestritten, welche Belehrungspflichten der Versicherer erfüllen muss, damit ihm die Rechte aus § 19 Absätze 2 bis 4 Versicherungsvertragsgesetz zustehen. Dort sind nämlich die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung u.a. geregelt.

§ 19 Absatz 5 Versicherungsvertragsgesetz verbietet dem Versicherer u.a. ein Rücktritt oder eine Vertragsanspassung, wenn dieser den Versicherten nicht "durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen der Anzeigepflichtverletzung hingewiesen" hat.

Der Versicherer hatte hier zwar auf die Folge einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen, allerdings nicht korrekt.

Das Gericht meinte: Ein Hinweis auf der 3. Seite des Versicherungsantrags mit einem Verweis auf die „Bedingungen und Informationen“ (dies sind mehr als 100 Seiten) sei nicht ausreichend. Selbst wenn dieser Verweis fett gedruckt sei, sei er nicht geeignet, den Versicherten zum Fundort der Belehrung über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht zu führen. Die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung fand auf Seite 67 (!) der Versicherungsbedingungen.

Auch der Hinweis „Bitte lesen sie unbedingt die Schlusserklärung sowie die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG... Sie machen sie mit ihrer Unterschrift zum Inhalt dieses Antrages.“ direkt über der Unterschriftsleiste reiche nicht aus, da dies inhaltlich nicht hinreichend konkret sei.

Ähnlich wie bei der Widerrufsbelehrung von Darlehensverträgen müsse sich die Platzierung und drucktechnische Gestaltung der Belehrung vom übrigen Text derart abheben, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist.

Fazit

Ein Blick in die Versicherungsverträge lohnt sich. Die Gerichte sind bei fehlerhaften Belehrungen durch die Versicherer sehr streng, was vorteilhaft für die Versicherten ist. Aber ACHTUNG: Der Bundesgerichtshof hat im März 2014 entschieden, dass dem Versicherten bei einer sog. "arglistigen Täuschung" eine fehlerhafte Belehrung des Versicherers nicht hilft. Wird einem von der Versicherung "Arglist" vorgeworfen, sollte man sich unbedingt an eine Anwältin/einen Anwalt wenden, der sich mit solchen Fällen genau auskennt.

Foto: ©istockphoto.com/Christopher Morgan 17414


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Veröffentlicht am

30.07.2014

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

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