Das Oberlandesgericht Nürnberg hat entschieden, dass ein Berufsunfähigkeitsversicherer Rentenleistungen nicht wegen einer Wiedereingliederungsmaßnahme der gesetzlichen Rentenversicherung verweigern darf. Auch auf die Möglichkeit der Ausweitung eines Minijobs kann die Versicherung bei einem Verzicht auf abstrakte Verweisung nicht verweisen.

Die Parteien stritten um die Frage, ob die Nürnberger Lebensversicherung AG ihre Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Rentenleistungen i.H.v. 800,00 € monatlich) berechtigt eingestellt hatte.

Der Kläger hatte nach Eintritt seiner Berufsunfähigkeit im Rahmen einer sog. stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme der Deutschen Rentenversicherung die Rückkehr in seinen bisherigen Beruf als Produktionsarbeiter bei seiner bisherigen Arbeitgeberin versucht. Im Rahmen des Stufenplans arbeitete er zunächst 2 Stunden täglich, dann 4 Stunden, schließlich an einem einzigen Tag 6 Stunden, sodann musste die Maßnahme aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen werden. Der Kläger erhielt während der Maßnahme von der Rentenversicherung ein Übergangsgeld von 700,00 Euro und später 800,00 Euro. Nach Ende der Maßnahme stellte die Deutsche Rentenversicherung fest, dass die Wiedereingliederung als gescheitert angesehen werden müsse, da eine vollständige Arbeitsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden könne.

Außerhalb dieser Maßnahme arbeitete der Kläger bei derselben Arbeitgeberin sodann regelmäßig im Rahmen eines Minijobs 3 Stunden täglich, wobei er einen Verdienst von rund 300 Euro monatlich netto erzielte. Nach wirksam erfolgter Kündigung in dem genannten Unternehmen arbeitete er als Minijobber in einem Autozentrum weiter, wobei er bei einer Arbeitszeit von 48 Stunden rund 320 Euro netto pro Monat verdiente.

Nachdem die Nürnberger Lebensversicherung AG die Leistungen unter Hinweis auf Verweisungstätigkeiten einstellte, erhob der Kläger Klage und erhielt in allen Instanzen Recht.

Das Oberlandesgericht Nürnberg stellte fest, dass auf eine stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme nach § 15 Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 28 SGB IX der Deutschen Rentenversicherung schon deshalb nicht verwiesen werden könne, weil es sich hierbei nicht um eine normale Beschäftigung auf dem freien Arbeitsmarkt handele. Tätigkeiten im Rahmen von Wiedereingliederungsmaßnahmen sollten arbeitsunfähige Versicherte nach länger andauernder schwerer Erkrankung schrittweise an die volle Arbeitsbelastung am bisherigen Arbeitsplatz heranführen und so den Übergang zur vollen Berufstätigkeit erleichtern. Es handele sich hierbei um eine therapeutische betriebsbezogene Maßnahme, die den Rehabilitationsprozess unterstützen solle. Sie solle insoweit wesentlich zu der Klärung der Frage beitragen, ob die Möglichkeit einer längerfristigen Beschäftigung bestehe. Ein solcher Arbeitsversuch könne daher nicht als Verweisungstätigkeit im Sinne der Vertragsbedingungen gewertet werden.

Die Wiedereingliederungsbeschäftigung des Klägers sei auch keine Tätigkeit, die seiner bisherigen Lebensstellung vor Eintritt des Versicherungsfalls entspreche. Die Wertschätzung dieser nicht auf Dauer angelegten, therapeutischen, von der Rentenversicherung getragenen Maßnahme entspreche nicht derjenigen eines dauerhaften, am Markt erlangten und bestehenden, von Leistung und Gegenleistung lebenden regulären Arbeitsverhältnisses.

Auch auf die bislang als Minijob ausgeübte Tätigkeit könne der Kläger nicht verwiesen werden, da auch diese Tätigkeit nicht der bisherigen Lebensstellung des Klägers in gesunden Tagen entsprach, dessen Verdienst sich vor Eintritt der Berufsunfähigkeit auf ca. 900,- EUR bis 1.050,- EUR netto belaufen hatte. Die Versicherung könne den Kläger auch nicht darauf verweisen, umfangreicher und dadurch höher bezahlt zu arbeiten,da nach den Versicherungsbedingungen (BUZ2004C) eine abstrakte Verweisung ausgeschlossen sei.

Die Kosten des Rechtsstreits hatte die beklagte Versicherung zu tragen.

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Veröffentlicht am

13.05.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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