Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat eine aktuelle und bemerkenswerte Entscheidung zur Verweisung von berufsunfähigen Selbständigen auf eine Beschäftigung im Angestelltenverhältnis getroffen. Selbst ein höherer Verdienst und eine niedrigere Arbeitszeit berechtige die Versicherung nicht zwangsläufig zur Verweisung.

Der Kläger war selbständiger Gas- und Wasserinstallateur-Meister. Sein Ein-Mann-Betrieb war auf sanitäre Anlagen, Gasanlagen und Blechbearbeitung spezialisiert. Im Jahr 1998 erkrankte der Kläger erstmals an einer ausgeprägten Depression. Aufgrund der häufigen schweren depressiven Episoden musste er seinen Betrieb auflösen. Daraufhin macht er Ansprüche aus einer bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend und erhielt eine Rentenzahlung, zuletzt in Höhe von 1.794,00 € monatlich. In der Folgezeit überprüfte die Versicherung ihre Leistungspflicht aus der Berufsunfähigkeitsversicherung in regelmäßigen Abständen (sog. Nachprüfungsverfahren). Währenddessen nahm der Kläger an einer Umschulung zum medizinisch-technischen Laborassistenten (MTLA) teil und schloss diese trotz vielfacher Krankheitsepisoden erfolgreich ab. Er erhielt eine Anstellung als medizinisch-technischer Laboratoriums-Assistent bei der Universitätsklinik Heidelberg. Sein monatliches Bruttoeinkommen beträgt seitdem 2.450,00 €.

Nachdem die beklagte Versicherung hiervon Kenntnis erlangte, stellte sie die Rentenzahlungen ein. Die Tätigkeit als MTLA erfülle die bedingungsgemäße Anforderung einer konkret ausgeübten beruflichen Tätigkeit mit vergleichbarer Lebensstellung wie im vorherigen Beruf. Die Vergleichbarkeit werde im Wesentlichen durch das erzielte Einkommen geprägt. Im neuen Beruf erziele der Kläger gegenüber seiner früheren Tätigkeit ein gleichwertiges Einkommen.

Hiergegen richtete sich die Klage des Klägers vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht. Er bekam in beiden Instanzen Recht.

Gemäß der dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Bedingungen komme, so das Oberlandesgericht in seiner abschließenden Urteilsbegründung, eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspreche. Die bisherige Lebensstellung des Versicherten werde dabei vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Dabei sei maßgeblich auch auf die Qualifikation abzustellen. Erfordere die selbstständige Tätigkeit eine höhere Qualifikation - so wie es hier der Fall ist -, dann spreche einiges dafür, dass eine Vergleichbarkeit insoweit nicht vorliege.

Deutlich hat das Gericht aber auch gemacht, dass sich eine generelle Lösung verbiete und es stets auf den Einzelfall ankomme. Eine grundsätzliche Unzumutbarkeit einer Verweisung auf eine abhängige Beschäftigung gebe es nicht. Zurecht sei aber schon das Landgericht der Argumentation der Versicherung nicht gefolgt, dass ein Mehr an Qualifikation und gesellschaftlicher Wertschätzung in der früheren selbständigen Tätigkeit durch die jetzige kürzere Arbeitszeit, das höhere Entgelt und die sozialversicherungsrechtliche Absicherung abgeschmolzen und ausgeglichen werde. Qualifikation und Wertschätzung seien keine Faktoren, die allein durch Geld und Freizeit ausgeglichen werden könnten. Schließlich wählten die Menschen aus den ihnen zugänglichen Berufen auch nicht stets den, der höchsten Lohn und geringste Arbeitszeit verspreche.

Vor diesem Hintergrund war vorliegend keine Vergleichbarkeit gegeben, sodass der Kläger weiterhin Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung hat.

Hinweis: Kontaktieren Sie mich in Ihrem Fall gern, damit wir klären können, ob eine Verweisung in Ihrem Fall in Betracht kommt. Das hier besprochene Urteil ist dabei als Leitfaden heranziehbar. Es macht in differenzierter Weise deutlich, dass nicht allein auf einzelne Faktoren abzustellen ist. Vielmehr kommt es - wie so oft - auf eine Gesamtbetrachtung der Umstände an. Dass Berufsunfähigkeitsversicherer aber nicht per se behaupten können, einzelne Kriterien könnten die anderen aufwiegen, ist richtig und das Urteil daher insgesamt zu begrüßen.

Foto: © D. Ott - Fotolia.com

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Veröffentlicht am

28.03.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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