Das Oberlandesgericht Karlrsruhe hat in einer aktuellen Entscheidung dargetan, unter welchen Umständen ein Kraftfahrzeugmechaniker im Rahmen einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann.

Der Kläger macht Ansprüche aus einer Invaliditäts-Zusatzversicherung gegenüber seiner Versicherung geltend. Die Parteien streiten darum, ob der Kläger sich auf eine nunmehr neu ausgeübte Tätigkeit verweisen lassen muss. Der Kläger war lange Zeit im Bereich „Mobiler Dienst Kleininstandsetzungen“ als Kraftfahrzeugmechaniker tätig ("Pannendienst"). Dann wurde bei ihm ein malignes Melanom am Oberbauch rechts festgestellt. Infolge der Erkrankung sowie den Folgen der damit verbundenen Behandlungen kann der Kläger seine frühere Tätigkeit nicht mehr ausüben. Er verlegte sich daher im selben Unternehmen auf eine Tätigkeit als „Mitarbeiter Stellenleitung, also eine reine Bürotätigkeit“ . Die Versicherung berief sich darauf, der Kläge müsse sich auch rechtlich auf diese Tätigkeit verweisen lassen und stellte daraufhin die Zahlungen ein. Hiergegen wandte sich der Kläger und bekam letztlich in allen Instanzen Recht.

Die Möglichkeit der Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit sei, so das Gericht, eine schon immer als zulässig behandelte, nunmehr in § 172 Absatz 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ausdrücklich geregelte Begrenzung des Versicherungsschutzes. Ausgangspunkt der Auslegung sei stets der Klauselwortlaut im Einzelfall. Danach sei im vorliegenden Fall eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit zulässig, „die ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt".

Der Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse werde den Ausdruck „Ausbildung“ insoweit nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens als die Entwicklung spezieller Fähigkeiten, die für bestimmte Tätigkeiten oder besondere Aufgaben Voraussetzungen seien, verstehen. Insoweit bestehe für die vom Kläger vormals ausgeübte Tätigkeit im „Mobilen Dienst Kleininstandsetzungen“ zwar kein allgemein anerkanntes, fest umrissenes Berufsbild oder eine entsprechende Ausbildungsordnung. Der Kläger habe jedoch die anfallenden Arbeiten nachvollziehbar beschrieben. Seine vormalige Tätigkeit umfasse demnach insbesondere die Überprüfung von Fahrzeugen auf deren straßenverkehrsrechtliche Betriebssicherheit, die Durchführung von Kleinstreparaturen an Fahrzeugen, die Instandsetzung von Leuchtmitteln sowie in geringerem Umfang wechselnde „flexible Aufträge“. Die handwerkliche Ausrichtung der Tätigkeit des Klägers baue insoweit auf seinem erlernten Beruf des Kraftfahrzeugmechanikers auf; die dort erlangten handwerklichen Kenntnisse und Fähigkeiten könne der Kläger in seiner vor der Berufsunfähigkeit ausgeübten Tätigkeit nutzen.

Die vom Kläger nunmehr ausgeübte Tätigkeit als „Mitarbeiter Stellenleitung“ beschränke sich dagegen - und dies kann als streitentscheidend angesehen werden - auf reine Bürotätigkeiten: Der Kläger arbeite lediglich Änderungen - beispielsweise wegen Umzügen, anderer Öffnungszeiten, Betriebsferien - in die Tourenpläne der Zusteller ein und überprüfe bei Mängeln die Touren. Diese neue Tätigkeit setze keine handwerkliche und damit auch keine „ähnliche Ausbildung“ voraus. Daher komme eine Verweisung hier nicht in Betracht. Die Versicherung wurde daher verurteilt, die Berufsunfähigkeitsrente an den ehemaligen Kraftfahrzeugmechaniker weiterzuzahlen.

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Kommentare

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
29.05.2018, 10:52 Uhr

Um zu prüfen, ob eine Verweisbarkeit vorliegt, ist nach der Rechtsprechung in Hinblick auf die in den typischen Klauseln i.d.R. verwandte "bisherige Lebensstellung" unbedingt dazu zu raten, einen genauen Vergleich der beruflichen Anforderungsprofile aufzustellen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. März 2007 12 U 196/06, Rdnr. 21: Gemäß § 1 Abs. 1 a BBZ ist erforderlich, dass die Verweisungstätigkeit der „bisherigen Lebensstellung“ der versicherten Person entspricht. Danach kann im Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, auf das es für die Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen entscheidend ankommt (st. Rspr., vgl. BGHZ 123, 83, 85), nicht bei einer mehr oder weniger formalen Betrachtung stehen geblieben werden, die sich vornehmlich an einem allgemeinen Berufsbild der zu vergleichenden Tätigkeiten orientiert. Zugrunde zu legen ist vielmehr die konkrete Situation des Versicherten. Es bedarf eines konkreten Vergleichs der Anforderungsprofile der zuletzt ausgeübten Tätigkeit mit der aufgezeigten Verweisungstätigkeit (vgl. BGH VersR 1997, 436 unter 3 c).

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Veröffentlicht am

02.05.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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