Das Oberlandesgericht Hamm hat in einer Entscheidung der Hinhaltetaktik von Berufsunfähigkeitsversicherungen einen Riegel vorgeschoben, die die Prüfung hinauszögern. Die vage Ankündigung weiterer Prüfungen zur Leistungspflicht kann einer endgültigen Leistungsverweigerung gleichstehen und zur Zahlungsklage berechtigen.

Der Kläger ist gelernter Maler und Lackierer. Im Jahr 2005 gründete er einen eigenen Pulverbeschichtungsbetrieb, in dem er als einziger Gesellschafter und Geschäftsführer seitdem selbst mitarbeitete. Er nahm seine beklagte Berufsunfähigkeitsversicherung wegen seiner Erkrankung an multipler Sklerose in Anspruch. Berufsunfähigkeit liegt nach der maßgeblichen Vereinbarung dann vor, wenn der Versicherte voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außer Stande ist, seinem zuletzt vor Eintritt dieses Zustands ausgeübten Beruf - so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war - nachzugehen.

Hierfür besteht regelmäßig eine ärztliche Nachweisverpflichtung seitens des Versicherungsnehmers. Im vorliegenden Fall hat der Kläger hierbei unstreitig dargelegt, dass er an multipler Sklerose erkrankt ist. Es kam jedoch auf die Frage an, ob er durch die Erkrankung tatsächlich zu mindestens 50 % arbeitsunfähig ist. Um dies festzustellen, sollte der Kläger einen berufskundlichen Bericht über seine Tätigkeit verfassen.

Dies tat er, indem er den normalen Ablauf in seinem Betrieb grob schilderte und zudem kundtat, zu welchen dieser Tätigkeiten er nunmehr nicht mehr in der Lage sei. Die Versicherung akzeptierte diese Vorgehensweise jedoch nicht. Vielmehr teilte sie dem mittlerweile anwaltlich vertretenen Kläger mit, sie werde seinen Leistungsanspruch angesichts der „dürftigen Angaben zur berufskundlichen Sachlage“ erst prüfen, sobald er seine Angaben zur beruflichen Tätigkeit "konkretisiere" und "substantiiere".

Einer solchen Praxis hat sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht nunmehr eine deutliche Abfuhr erteilt:

OLG Hamm, Urteil vom 26. September 2012 – I-20 U 23/12: Hat der Versicherungsnehmer die einschlägigen Fragen des Versicherers beantwortet und sich auch ansonsten den Ermittlungen des Versicherers unterzogen, ist ihm ein längeres Zuwarten nicht mehr abzuverlangen, wenn ihm nicht konkret erklärt wird, welche weiteren Angaben bzw. Informationen erforderlich sind, um die Einstandspflicht abschließend beurteilen zu können. Die vage Ankündigung einer weiteren Prüfung des Leistungsanspruchs im Falle „entsprechender“ Konkretisierung und Substantiierung der klägerischen Angaben stellt aus Sicht des Versicherungsnehmers keine ernstzunehmende Fortführung der Leistungsprüfung dar und muss damit dieselben Folgen haben wie eine endgültige Leistungsverweigerung.

Hieraus folgt für alle Betroffenen einer solchen Hinhaltetaktik, dass ab diesem Zeitpunkt Zahlungsklage erhoben sowie Verzugszinsen und ggf. Rechtsanwaltskosten geltend gemacht werden können. Aufgrund der recht hohen Beträge kann sich dies - völlig zu Recht - auch finanziell letztlich zum Vorteil der Versicherten auswirken.

Kommentar: Das Urteil stärkt in erheblichem Maße die Rechte von Versicherungsnehmern. Hinhaltetaktiken sind bei Berufsunfähigkeitsversicherern weit verbreitet. Kontaktieren Sie mich gerne, um weitere Verzögerungen zu vermeiden und ggf. Verzugszinsen geltend zu machen.

Foto: ©istockphoto.com/ Barbara Reddoch

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Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
27.04.2018, 21:45 Uhr

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Veröffentlicht am

14.01.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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