Das LG Heidelberg hat im Falle eines selbständigen Versicherungsmaklers entschieden, dass Schmerzen und Taubheitsgefühle in der Hand zur Berufsunfähigkeit führen können, sofern dadurch die Verrichtung der Arbeit in wesentlichen Teilen behindert wird. Eine Umorganisation des Betriebes war aus Sicht des Gerichts nicht zumutbar.
Der Kläger, ein selbstständiger Versicherungsmakler mit einem Verdienst von 15.000 €, hatte Ende des Jahres 2005 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) abgeschlossen. Laut den Bedingungen (kurz: B-BUZ) entstand die Leistungspflicht der Versicherung, wenn der Versicherungsnehmer zu 50 % berufsunfähig wird.
Nach einem Sturz von einer Leiter im Dezember 2006 musste der Mann sich mehreren Handgelenksoperationen unterziehen und in der Folgezeit wiederholt ärztliche und physiotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen. Trotz dessen litt er in der Folgezeit an immer wiederkehrenden starken Schmerzen, sodass er im Oktober 2008 die Leistungen seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch nehmen wollte. Nach seiner Ansicht war er zu diesem Zeitpunkt zu mindestens 50% berufsunfähig. Er führte an, dass seine Haupttätigkeit größtenteils am Computer stattfinde, er bei der täglichen Büroarbeit durch starke Schmerzen und Taubheitsgefühle in der Hand nicht mehr in der Lage sei, Diagramme aufzuzeichnen, zu schreiben, oder mit der rechten Hand zu tippen. Auch sei er seit dem Unfall nicht mehr in der Lage, sein manuell geschaltetes Auto angemessen zu fahren.
Versicherer sieht Einschränkungen als zu gering an Der Berufsunfähigkeitsversicherer lehnte den Antrag des Klägers jedoch ab. Er sei nicht bedingungsgemäß berufsunfähig, vielmehr lägen bei ihm nur verhältnismäßig geringe Einschränkungen vor. Sie trug vor, dass dem Kläger eine Umorganisation seines Betriebes in jedem Fall möglich sei, auch könne er sich ein Automatik-Fahrzeug anschaffen. Für alle anderen Arbeiten, die ihm selbst nicht mehr möglich seien, stünde ihm auch die Möglichkeit offen, zusätzliches Personal einzustellen. Dies stelle für den Kläger auch keine unzumutbare finanzielle Belastung dar. Weiterhin könne er die tägliche Büroarbeit auch mithilfe einer Diktiersoftware bewältigen. Insgesamt könne der Einsatz der Hände auf ein Minimum reduziert werden. Dies könne laut den B-BUZ auch vom Kläger verlangt werden. Somit verweigerte die Versicherung eine Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente.
LG Heidelberg verpflichtet die Versicherung zur Zahlung Das LG Heidelberg gab jedoch der Klage des Versicherungsmaklers vollumfänglich statt. Insbesondere verwies das Gericht darauf, dass eine betriebliche Umorganisation, wie in den B-BUZ vereinbart, in diesem Fall als unzumutbar anzusehen sei. Auch die von der Versicherung angeregte Nutzung von Sprachsoftware verwarf das Gericht, denn an deren Funktionalität hatte der Richter aus eigener Erfahrung erhebliche Zweifel: Aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Textverarbeitung sei eine ständige händische Korrektur über die Tastatur unerlässlich. Schlussendlich sah es das Gericht als erwiesen an, dass jegliche von der Versicherung vorgeschlagenen Maßnahmen zur Umorganisation des Betriebes unverhältnismäßig und deshalb dem Kläger nicht zumutbar seien – stattdessen bejahte sie seine Berufsunfähigkeit des Klägers in Höhe von 50%. Hierfür reichten nach den eingeholten Sachverständigengutachten die wiederkehrenden Schmerzen und immer wieder auftretenden Krankschreibeungen aus, die die Führung des Betriebes immer wieder unterbrachen. Konsequenterweise verurteilte das Gericht die Versicherung zu einer Rentennachzahlung i.H.v. 137.796,80 € und stellte fest, dass der Versicherer für die Dauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, jedoch längstens bis zum Vertragsende zur monatlichen Zahlung der vertraglich vereinbarten, sich jährlich dynamisierende Berufsunfähigkeitsrente verpflichtet sei.
Sollten Sie bei Ihrem Versicherer Berufsunfähigkeitsleistungen beantragen wollen oder insoweit Schwierigkeiten haben, kontaktieren Sie mich gerne.
Kommentare
Kommentar schreiben
Veröffentlicht am
11.03.2014
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
Hinweis
Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.
Urheber
© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)
26.04.2018, 17:04 Uhr
Falls Sie eine Frage zu Ihrer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung haben, hinterlassen Sie hier gerne anonym und unverbindlich einen Kommentar, ich antworte gerne.