Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat bereits 2011 entschieden, dass Krankentagegeld zurückgezahlt werden muss, wenn eine Berufsunfähigkeitsrente rückwirkend bewilligt wurde. Da bei vielen Versicherten das monatliche Krankentagegeld deutlich höher ist, als die Berufsunfähigkeitsrente, kann es zu hohen Rückforderungen kommen. In diesem Fall waren 50.304,00 € zurück zu zahlen.

Schlechte Nachricht

Im Fall des Landgerichts Nürnberg-Fürth ging es um einen Versicherten, der eine Krankentagegeldversicherung mit einem Krankentagegeld i.H.v. 76,80 € täglich (ca. 2.304 € monatlich) unterhielt. In den Bedingungen zur Krankentagegeldversicherung hieß es:

§ 15 MB/KT 1978: Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Vorraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist...

In Teil II der Tarifbedingungen hieß es weiter:

Versicherungsfähig sind Selbstständige und ...., die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, aus dieser Tätigkeit regelmäßige Einkünfte haben und noch keine Rente wegen einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beziehen oder beanspruchen können.

Bei einer anderen Versicherung hatte der Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 2.050,00 € versichert.

Gut zwei Jahre lang, vom 10.03.2008 bis 16.03.2010, zahlte die Krankenversicherung Krankentagegeld. Im April 2010 stellte schließlich der Berufsunfähigkeitsversicherer rückwirkend die Berufsunfähigkeit des Klägers ab dem 01.04.2008 fest. Der Krankentagegeldversicherer erhielt hiervon Kenntnis und teilte dem Kläger mit, man sei über den 01.04.2008 nur noch verpflichtet, das Krankentagegeld 3 Monate lang weiterzuzahlen (sog. "Schon-" oder "Karenzpflicht"). Die Krankentagegeldversicherung sei damit "beendet". Der Kläger könne seine Krankentagegeldversicherung noch als "Anwartschaftsversicherung" fortführen (bedeutet: wenn die Berufsunfähigkeit später endet, kann die Krankentagegeldversicherung wieder ohne neue Gesundheitsprüfung fortgeführt werden - eine sinnvolle Regelung). Dieses Angebot nahm der Kläger an. Die Versicherung forderte daraufhin für die Zeit vom 01.07.2008 bis 16.04.2010 das Krankentagegeld i.H.v. 50.304,00 € zurück, was der Kläger mit Schreiben vom 13.06.2010 strikt ablehnte.

Das Landgericht gab der Klage des Krankentagegeldversicherers jedoch statt und verurteilte den Kläger zur Rückzahlung des Krankentagegeldes i.H.v. 50.304,00 € nebst Zinsen und führte zu Begründung aus:

"Nach § 15 a) MB/KT enden die Hauptleistungspflichten des Versicherungsverhältnisses, wenn eine tariflich bestimmte Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit weggefallen ist (vorbehaltlich eines entsprechenden und zwischen den Parteien auch unstreitigen Nachleistungszeitraums). Was Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit ist, ergibt sich auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbar aus den im unmittelbaren Anschluss abgedruckten Tarifbedingungen. Demnach ist dies – ausdrücklich normiert (s.o.) - in negativer Hinsicht, dass der Versicherte keine Rente wegen einer Berufsunfähigkeit bezieht oder beanspruchen kann. Gerade dies ist hier aber der Fall. Dass der Beklagte diese erst zu einem späteren Zeitpunkt - rückwirkend - ausgezahlt erhalten hat, erlangt schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung [...] keine Bedeutung".

H I N W E I S:

In § 11 der MB/KT 2009 (Anzeigepflicht bei Wegfall der Versicherungsfähigkeit) heißt es:

Der Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit oder der Eintritt der Berufsunfähigkeit (vgl. § 15 Buchstabe b) einer versicherten Person ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Erlangt der Versicherer von dem Eintritt dieses Ereignisses erst später Kenntnis, so sind beide Teile verpflichtet, die für die Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses empfangenen Leistungen einander zurückzugewähren.

Das bedeutet für Sie, dass es risikoreich sein kann, bei einer sich abzeichnenden Berufsunfähigkeit noch über einen längeren Zeitraum Krankentagegeld zu beziehen, nur weil dieses deutlich höher ist als die Berufsunfähigkeitsrente. Aber: In den meisten Fällen ist es der Krankentagegeldversicherer, der zuerst Gutachten erstatten lässt und "Berufsunfähigkeit" feststellt - aus dem naheliegenden Grund, dann nicht mehr zahlen zu müssen. Hat der Krankentagegeldversicherer seinerseits Berufsunfähigkeit festgestellt, kann es in ungünstigen Fällen dazu kommen, dass der Berufsunfähigkeitsversicherer dieser Feststellung nicht folgt und den Standpunkt vertritt, man sei noch nicht berufsunfähig. Häufig kann dann aber mit dem Berufsunfähigkeitsversicherer eine Einigung gefunden werden. Wenn Sie diesbezüglichen Beratungs- oder Vertretungsbedarf haben, kontaktieren Sie mich gerne.


Kommentare

M.
01.07.2018, 20:58 Uhr

Hallo Herr Köper,

ich befinde mich gerade in einem Verfahren, wo meine Krankentagegeldversicherung (nach bereits 8 monatiger Krankheit) eine Schweigepflichtsentbindung von der gegnerischen Versicherung (BU) erhalten möchte. Ist das rechtens diese Entbindung zur Leistungsprüfung zu fordern?

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
03.07.2018, 13:13 Uhr

Sehr geehrte M.,

nach den typischen Versicherungsbedingungen (schauen Sie bitte in Ihre) haben Versicherte i.d.R. auf Verlangen des Versicherers jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder der Leistungspflicht des Versicherers und ihres Umfanges erforderlich ist. Wenn der Versicherte die Auskünfte nicht selbst erteilen kann (was typischerweise bei medizinischen Fragestellungen der Fall ist), kann der Versicherer verlangen, dass behandelnde Ärzte und Einrichtungen von der Schweigepflicht entbunden werden, um die Auskünfte dort anzufordern. Zur Frage, ob der Versicherer berechtigt ist, vom Versicherten eine Schweigepflichtentbindung dessen BU-Versicherers zu fordern, ist nach der Rechtsprechung nicht sicher zu beantworten. Wenn Sie die Schweigepflichtentbindung verweigern, kann Ihr Krankentagegeldversicherer dies zum Anlass nehmen, eine Obliegenheitsverletzung Ihrerseits zu behaupten und bei entsprechender vorheriger Belehrung auf diese möglichen Folgen die Zahlung des Krankentagegeldes ganz oder teilweise einstellen. Ggf. müssten dann einen Rechtsstreit mit Ihrem Versicherer führen - mit unsicherem Ausgang. Insofern bewegt man sich da rechtlich "auf dünnem Eis".


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Veröffentlicht am

30.09.2016

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

Hinweis

Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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