Der Bundesgerichtshof hat schon 1993 entschieden, dass für die Ermittlung der Berufsunfähigkeit, die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange die Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war, maßgeblich ist. Maßstab für die Berufsunfähigkeit ist damit der Beruf vor Krankheitsbeginn und nicht der Beruf, in den man krankheitsbedingt gewechselt ist.

Der Kläger, ein gelernter KFZ-Mechaniker, hatte bei einem Motorradunfall im Jahre 1983 zwei Brustwirbel gebrochen und machte wegen der verbliebenen Folgen 1988 seine Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend. Die beklagte Versicherung ließ daraufhin ein Gutachten erstellen, welches zu dem Ergebnis kam, der Kläger sei zwar zu 50 % außerstande, weiter seinem Beruf als Tankstellenpächter mit Kfz-Reparaturwerkstatt nachzugehen, er sei jedoch noch berufsfähig im kaufmännischen Bereich. Aus diesem Grunde lehnte die Beklagte die Leistung ab.

Der Kläger erhob Klage mit der Begründung, dass er mangels Ausbildung und Erfahrungen im kaufmännischen Beriech nicht einsetzbar sei.

Das Landgericht gab der Klage statt.

Auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Dazu führte das Berufungsgericht aus, dass das Berufsbild des Tankstellenpächters sowohl die körperlich belastenden Reparaturarbeiten als auch den kaufmännischen Bereich umfasse. Für letzteres bestehen keine gesundheitlichen Einschränkungen, so dass eine Berufsunfähigkeit nicht gegeben sei. Auch kritisierte das Gericht, dass der Motorradunfall zu lange zurück läge und der Kläger zunächst wieder in normalem Umfang gearbeitet habe. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Versicherungsfall eingetreten sei, müsse der Zeitraum unmittelbar vor Eintritt der behaupteten Berufsunfähigkeit im Jahre 1988 sein.

Im Revisionsverfahren gab der Bundesgerichtshof der Klage statt.

Der BGH stellte klar, dass es für einen Tankstellenpächter kein unverrückbar feststehendes und damit jeden Fall einer Berufsausübung bis in alle Einzelheiten prägendes (abstraktes) Berufsbild gäbe, das umfassend und erschöpfend Auskunft darüber gäbe, was der Versicherte tatsächlich gemacht habe. Es sei daher unerlässlich, in jedem Einzelfall festzustellen, welche Arbeiten der Versicherte ausgeführt habe, wie der Tankstellenbetrieb strukturiert gewesen sei und über welche Vorbildung einschlägiger oder sonstiger Art der Versicherte verfüge.

Weiter führte der BGH aus, dass trotz der Tatsache, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens altersbedingt wie aufgrund von Erkrankungen und Verletzungen an Leistungsfähigkeit einbüßt, der Maßstab für die Berufsunfähigkeit nicht absinken darf. Denn damit, so der BGHwäre die Berufsunfähigkeitsversicherung entwertet. Ein schlagartiger Leistungsabfall ist nicht die Regel. In den Fällen eines langsam fortschreitenden Leidensprozesses oder Kräfteverfalls würde häufig der Versicherungsfall nicht eintreten, obwohl die Beeinträchtigung des Versicherten, gemessen an seiner Leistungsfähigkeit in gesunden Tagen, 50% längst erreicht oder gar überschritten hat. Maßgeblich für die Feststellung der Berufsunfähigkeit sei daher - von etwaigen Fallbesonderheiten abgesehen - die letzte konkrete Berufsausübung, so wie sie in noch gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht beeinträchtigt war.

BGH, Urteil vom 22. September 1993 – IV ZR 203/92: Im Rahmen der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich maßgebend die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war.

Dies bedeutet: Eine schon leidensbedingt einschränkte Berufstätigkeit kann nicht der Maßstab für die Berufsunfähigkeit sein. Ein leidensbedingter Berufswechsel oder schon leidensbedingte Einschränkungen der Berufstätigkeit sind bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit dürfen nicht zu Ihrem Nachteil gereichen. Ein Beispiel: Wenn Sie Ihren Beruf wegen der geltend gemachten Krankheit gewechselt haben oder wenn Sie Ihre Arbeitsstunden wegen der Krankheit reduziert haben, ist Maßstab für die Berufsunfähigkeit nicht der Beruf, in den Sie gewechselt sind und auch nicht die reduzierte Wochenarbeitszeit, sondern Ihre letzte Berufstätigkeit, als Sie noch ganz gesund waren. Es ist daher wichtig der Versicherung gegenüber darzulegen (und belegen zu können), wann Ihre Beschwerden zuerst aufgetreten sind.

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Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
26.04.2018, 17:03 Uhr

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Veröffentlicht am

14.04.2015

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Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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