Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass ein Berufsunfähigkeitsversicherer nicht dazu berechtigt ist, den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn beim Vertragsschluss die betreffenden Gesundheitsfragen so schnell vorgelesen wurden, dass der Versicherte nicht hinreichend in der Lage war, sie zu verstehen.
Die Klägerin unterhielt bei ihrer Versicherung eine sogenannte Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Rahmen des Abschlusses dieses privaten Zusatzversicherung war eine Versicherungsvertreterin eingeschaltet worden, die dem Versicherungsunternehmen zugerechnet werden muss. Diese ist mit der Klägerin die stets üblichen Gesundheitsfragen gemeinsam durchgegangen, wobei sie ihr jede einzige vorlas, dies jedoch vermutlich in einem sehr hohen Tempo. Als sich im Nachhinein herausstellte, dass einzelne Fragen falsch beantwortet wurden, kündigte die Versicherung den Vertrag wegen arglistiger Täuschung. Hiergegen richtete sich Klage der Klägerin, die die Feststellung begehrte, das Versicherungsverhältnis würde noch bestehen.
Dieser Klage hat das Oberlandesgericht Stuttgart stattgegeben. Dabei hat es auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zurückgegriffen, wonach eine arglistige Täuschung die Vorspiegelung falscher oder das Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraussetze. Dabei müsse der Versicherungsnehmer vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirke.
Zwar liege eine unwahre Tatsache vor, da einzelne Fragen falsch beantwortet wurden, es müsse jedoch geklärt werden, ob die Klägerin auch arglistig gehandelt habe. Hierbei sei entscheidend, dass die Versicherung beweisbelastet sei, also den Nachweis zu führen habe, dass die Versicherungsvertreterin der Klägerin die Fragen in einer Art und Weise vorgelesen habe, die das Ausfüllen des Formulars durch den Versicherungsvertreter einer eigenverantwortlichen Beantwortung durch den Antragsteller vergleichbar erscheinen ließe. Diesen Nachweis könne das Versicherungsunternehmen hier nicht führen.
Im Weiteren setzte sich das Gericht zudem mit der Frage der Widersprüchlichkeit von Antworten auseinander und kam auch hier zu dem Ergebnis, dass auch insoweit kein Vorsatz vorlegen könne. Insbesondere könne nicht von einer spontanen Offenbarungspflicht der Klägerin hinsichtlich nicht angegebener Erkrankungen ausgegangen werden, die unabhängig von einer schriftlichen oder mündlichen Nachfrage der Beklagten bestanden hätte Der Versicherungsvertrag bestehe daher fort.
Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist rechtskräftig.
Hinweis: Wurde auch Ihr Versicherungsvertrag unter dem Hinweis auf eine falsche Beantwortung von Gesundheitsfragen angefochten, prüfen Sie stets, ob bereits von der Versicherung zu vertretende Mängel beim Vertragsschluss bestanden haben. Kontaktieren Sie mich hierzu gerne.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 19.04.2012.
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Veröffentlicht am
02.08.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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