Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil dargelegt, unter welchen Voraussetzungen die private Berufsunfähigkeitsversicherung die Berufsunfähigkeit eines Einzelhändlers anzuerkennen hat. Der Kläger betrieb als selbstständiger Einzelhandelskaufmann einen Bio-Laden mit eingeschränkter Öffnungszeit. Er hatte bereits vor einigen Jahren eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen.
Diese beinhaltete die Besonderheit, dass die Versicherung vollständig einspringen solle, sobald eine teilweise Berufsunfähigkeit von 50 Prozent anerkannt werde. Dagegen bestünden gar keine Ansprüche, soweit die Grenze von 50 Prozent nicht erreicht würde. Nur im ersten Fall sollte der Kläger demnach eine Rente in Höhe von 30.000 DM jährlich erhalten.
Der Kläger machte in der Folgezeit körperlich-orthopädische Probleme beim Über-Kopf-Arbeiten sowie bei Hebe- und Tragebelastungen geltend. Seine Versicherung weigerte sich jedoch zu zahlen, da sie der Auffassung war, die Grenze der teilweisen Berufsunfähigkeit von 50 Prozent sei noch nicht erreicht. Dagegen wandte sich der Kläger vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht.
Das Gericht hatte dabei im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären, ob diese Grenze erreicht war. Wie das Gericht ausführte, sei dabei die Frage der Berufsunfähigkeit nach dem zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles ausgeübten Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung zu beantworten. Der Kläger habe zuletzt an gesunden Tagen sein Ladenlokal dienstags und donnerstags ganztägig (10.00 Uhr bis 13.00 Uhr sowie 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr) und samstags halbtägig von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet. Deshalb sei der Kläger berufsunfähig, wenn er eine solche auf zweieinhalb Arbeitstage in der Woche beschränkte Tätigkeit in seinem Ladenlokal nicht mehr zu mindestens 50 Prozent ausüben könne. Auf einen Einzelhändler mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 58 Stunden könne dagegen nicht abgestellt werden.
Eine solche Beeinträchtigung hat der befragte Sachverständige zum Nachteil des Klägers nicht feststellen können. Es kam im Weiteren jedoch auf die Frage an, ob ein teilweises Erreichen der Grenze von 50 Prozent bereits für die Anerkennung der Berufsunfähigkeit ausreiche. Dies hat das Gericht verneint. Nur aufgrund der Tatsache, dass der Kläger zum Beispiel beim Trage von mehr als 10kg schweren Lasten zu über 60 Prozent als berufsunfähig angesehen werden könne, begründe noch keine Eintrittspflicht der Versicherung. Vielmehr sei es dem Kläger zuzumuten, die Folgen seiner Gesundheitsbeeinträchtigung durch einfache Maßnahmen zu vermeiden, soweit diese ihm möglich und zumutbar seien. So komme das Gericht zu der Überzeugung, dass dem Kläger eine solche Umorganisation praktisch möglich und dass dieser in der Lage sei, alle in seinem kleinen Ladenlokal anfallenden Arbeiten insbesondere durch eine andere Organisation des Warentransportes innerhalb seines Ladenlokals, durch ein zeitliches Auseinanderziehen sowie durch Verteilen auf den Tag oder die Woche selbst zu erledigen.
Wie dem Urteil zu entnehmen ist, kann es mit Schwierigkeiten verbunden sein, eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nachzuweisen. Lassen Sie sich darum in Zweifelsfällen schon vor Antragstellung beim Versicherer anwaltlich beraten. Bei Fragen zu diesem Themenkreis kontaktieren Sie mich gerne.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 10.11.2010.
Foto: © istockphoto.com/Tyler Olson
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Veröffentlicht am
22.08.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)
24.08.2012, 17:26 Uhr
Im Einzelfall stellt sich der Versicherungsabschluss für beide Seiten immer unwahrscheinlich schwierig da. Die Versicherung möchte natürlich einen weiteren Klienten betreuen und ist demnach höchst motiviert einen Abschluss der Versicherung zu erreichen. Als Versicherungsnehmer muss man sich, wie Sie auch schreiben, auf jeden Fall in der Pflicht sehen die Bedingungen eindeutig zu klären und da kommt man weder ums Kleingedruckte, noch um eine fachliche Beratung eines Dritten herum. Umso mehr Zeit man im Voraus investiert, desto weniger Stress hat man im Ernstfall. Eine Frage Herr Köper: Kann man jeden Anwalt fragen oder gibt es auch für den Bereich Versicherungen Experten, welche unabhängig von den Versicherungsgesellschaften arbeiten? Beste Grüße, Lisa Göring