Das saarländische Oberlandesgericht hat entschieden, dass ein berufsunfähiger Dachdecker, der seine Tätigkeit wegen einer starken Allergie nicht mehr ausüben kann, auf eine Tätigkeit als Dachdecker an allergenfreien Orten (See oder Hochgebirge) nicht verwiesen werden darf. Auch eine Tätigkeit als Verkäufer im Baumarkt sei nicht zumutbar.

In dem entschiedenen Fall ging es um einen Versicherten, der eine Ausbildung zum Dachdeckergesellen durchlaufen und bei verschiedenen Betrieben als Dachdeckergeselle gearbeitet hatte. Nach ca. 14 Jahren Berufstätigkeit vermehrten sich die Beschwerden des Versicherten wegen Asthma Bronchiale bei Polyallergie, allergischer Rhinokonjunktivitis und Psoriasis vulgaris so stark, dass er zumindest an seinem Wohnort aufgrund der dortigen Belastungen durch Staub und Pollenflug seinen Beruf als Dachdecker nicht mehr ausüben konnte.

Der Berufsunfähigkeitsversicherer verweigerte die Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente mit der Begründung, der Versicherte könne eine andere Tätigkeit auszuüben, zum Beispiel als Fachverkäufer im Baustoffhandel, bzw. Bauzubehörhandel (Baumarkt) oder als Fachberater für Baustoffe, Baubedarf, Baubetriebs- und -hilfsstoffe.

Nachdem die Versicherung der Rentenzahlung verweigert hatte, verklagte der Versicherte die Versicherung erfolgreich durch zwei Instanzen auf Zahlung der versicherten Rente.

Der Versicherte machte geltend, für die Ausübung einer Tätigkeit als Fachverkäufer oder Fachberater hätte er eine abgeschlossene Ausbildung als Einzelhandelskaufmann, bzw. als Warenverkäufer benötigt. Führende Fachbetriebe setzten eine kaufmännische Ausbildung voraus. Eine Ausbildung zum Kaufmann habe er aber nicht abgeschlossen. Die beruflichen Inhalte von Dachdeckergesellen und kaufmännischen Angestellten seien gänzlich verschieden. Er fühle sich auch nicht geeignet, Verkaufgespräche zu führen, dies habe er als Dachdecker auch nie gebraucht. Außerdem verfügten Baumärkte regelmäßig über eine Außenabteilung, in der die Verkäufer tätig sein müssten, was ihm wegen der Allergie nicht möglich sei. Außerdem sei er auch allergisch gegen Stoffe, die in den verkauften Baustoffen enthalten seien. Eine Verweisung auf die kaufmännischen Berufe würde außerdem eine beträchtliche Einbuße bedeuten. Eine Verlegung seines Wohnsitzes in Gebiete ohne allergenen Staub und Pollenflug (Nordsee oder Höhen über 1500 m) könne ihm nicht zugemutet werden.

Sowohl das erstinstanzliche, als auch das zweitinstanzliche Gericht gaben dem Kläger Recht und verurteilten die Versicherung zur Zahlung. Dabei wurde festgestellt, dass ein Pendeln vom Wohnort zu einem Arbeitsplatz an der Nordsee oder ein Umzug in eine andere an der Nordsee gelegene Stadt nicht zuzumuten sei. Hierbei könne man sich anlehnen an die Vorgaben der Arbeitslosenversicherung. Danach seien Arbeitslosen Beschäftigungen nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten unverhältnismäßig lang seien. Auch auf eine Tätigkeit als Fachberater oder Fachverkäufer im Baustoff- bzw. Bauzubehörhandel (Baumarkt) sei dem Versicherten, der verheiratet sei und Kinder habe, nicht zuzumuten.

Zwar müsse, so das Berufungsgericht, nicht notwendigerweise eine kaufmännische Ausbildung vorliegen, um in einem solchen Beruf zu arbeiten. Auch mit handwerklicher Ausbildung wäre dies nach einer kurzfristigen Einarbeitungszeit möglich. Denn in allen großen Baumärkten fänden sich auch Nichtkaufleute unter den Fachberatern. Es sei jedoch zweifelhaft, ob der Versicherte hier wegen seiner Allergie in einem Baumarkt arbeiten könne. Auch sei unklar, ob der Versicherte bei einer Offenlegung seines Gesundheitszustandes im Rahmen einer Bewerbung überhaupt eingestellt würde. Chronische Erkrankungen der Atemwege und chronische Hauterkrankungen stünden dem üblicherweise entgegen. Ausschlaggebend sei jedoch letztlich, dass der Versicherte bei einer Beschäftigung in einem Baumarkt spürbare Einkommenseinbußen hinnehmen müsste. Die tarifliche Bezahlung im Baustoffhandel liege deutlich niedriger, als das bisherige Einkommen des Versicherten als Dachdecker. Die Einbuße hätte konkret ca. 43 % betragen. Die Lebensstellung des Versicherten wäre damit nicht mehr gewahrt geblieben. Auf einen solchen, deutlich schlechter bezahlten Beruf müsse sich der Versicherte nicht verweisen lassen. Die Versicherung wurde entsprechend zur Zahlung verurteilt.

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Veröffentlicht am

30.07.2013

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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