Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat entschieden, dass ein sog. leidensbedingter Berufswechsel vom Versicherungsnehmer bewiesen werden muss. Auch eine selbständige Tätigkeit kann nur dann Maßstab für die Berufsunfähigkeit sein, wenn in ihr tatsächlich gearbeitet wurde. Die Anmeldung eines Gewerbes reicht nicht.

Der Kläger ist gelernter Fleischer. Nach seiner Ausbildung holte er sein Abitur nach und studierte Chemie, wobei er keinen Abschluss erwarb. Seit Juni 2005 arbeitete er als Verkaufs- und Personalleiter bei einer Firma, die Fingernagelprodukte herstellte. Ab dem 14.11.2005 war der Kläger wegen orthopädischer Beschwerden, insbesondere Arthrose und einer dauerhaften Einschränkung der Beweglichkeit und Minderung der Belastbarkeit krankgeschrieben und zum 30.11.2005 wurde er betriebsbedingt gekündigt. Im Anschluss hieran meldete der Kläger ein Gewerbe an, für das er Büroräume anmietete und eine Büroausstattung anschaffte. Im April 2008 meldete er das Gewerbe wieder ab. Kunden hatte er keine.

Der Kläger begehrte von der beklagten Berufsunfähigkeitsversicherung die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 2.335,08 € ab Mai 2008. Dabei vertrat er die Ansicht, für die Frage der Berufsunfähigkeit sei auf den Beruf eines Verkaufs- und Personalleiters abzustellen. Er habe diesen Beruf leidensbedingt, also wegen seiner Krankheit aufgeben müssen. Seine körperlichen Leiden hätten bereits im September 2005 vorgelegen.

Dagegen vertrat die Beklagte die Ansicht, diese Tätigkeit könne bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit nicht maßgeblich sein. Vielmehr käme es auf die Tätigkeit als Personalberater an, da diese sowohl im Leistungsantrag als auch in der Steuererklärung für 2005 gegenüber dem Finanzamt angegeben worden sei.

Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage ab. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er in seinem früheren Beruf als Verkaufs- und Personalleiter in der Firma berufsunfähig sein. Auch die daraufhin eingereichte Berufung wurde vom Oberlandesgericht Saarbrücken abgewiesen. Im Berufungsverfahren machte der Kläger zusätzlich geltend, aufgrund von Konzentrations- und Schlafstörungen sowie depressiver Verstimmung nicht in der Lage zu sein, als Verkaufs- und Personalleiter zu arbeiten.

Da Berufungsgericht führte jedoch aus, eine Berufsunfähigkeit liege nach dem geschlossenen Versicherungsvertrag vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen seien, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 Prozent außerstande sei, der vor Eintritt des Versicherungsfalles zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit nachzugehen.

Grundsätzlich sei die zeitlich letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war. Trotz eines zwischenzeitlichen Berufswechsels sei auf die frühere Tätigkeit abzustellen, wenn der vor Eintritt des Versicherungsfalls erfolgte Berufswechsel bereits durch die fortschreitende Erkrankung bedingt war und der Versicherte seine Berufstätigkeit nach und nach sozusagen "leidensbedingt" zurückgenommen habe.

Anders sei es jedoch im vorliegenden Fall, da der Kläger seinen Beruf nicht wegen seines bestehenden Leidens, sondern aus davon unabhängigen Gründen gewechselt habe. Die Beendigung des Arbeitsvertrages sei im Wege der betriebsbedingten Kündigung erfolgt. Dafür, dass diese Kündigung lediglich "formal betriebsbedingt" ausgesprochen worden und dem Kläger eine Fortsetzung der Tätigkeit schon seinerzeit allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen wäre, sei nichts ersichtlich.Der vom Landgericht bestellte Sachverständige habe festgestellt, dass der Kläger Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule im Zeitpunkt des Antrags auf Berufsunfähigkeitsleistungen auch gar nicht angegeben habe. Auch sei der Kläger in der Lage gesehen gewesen, ein selbständiges Gewerbe anzumelden und einzurichten, was erheblichen körperlichen und psychischen Einsatz erfordert haben müsse, und dass er - unstreitig - bis weit in das Jahr 2007 hinein an Halbmarathon- und Zehnkilometerläufen teilgenommen und dabei Zeiten erreicht hat, die ohne regelmäßiges Training nicht zu erreichen seine. Ein "leidensbedingtes" Verlassen der sechs Monate lang ausgeübten Tätigkeit bei der Firma pp. im November 2005 liege vor diesem Hintergrund fern.

Es käme daher in diesem Fall nicht auf die Tätigkeit als Verkaufs- udn Personalleiter, sondern den neuen zuletzt ausgeübten Beruf, also die selbständige Tätigkeit an. Da der Kläger jedoch tatsächlich nicht in seinem neuen Gewerbe gearbeitet habe, sondern über das Stadium reiner Vorbereitung nicht hinaus kam, sei von einem Ausscheiden aus dem Berufsleben ab Dezember 2005 auszugehen.

Damit sei eine Berufsunfähigkeit abzulehnen.

FAZIT: Wenn Sie Ihren bei Abschluss der Berufsunfähigkeit ausgeübten, also "versicherten Beruf" wegen Ihrer Krankheit aufgeben und nur wegen Ihrer Beschwerden eine andere Berufstätigkeit aufgenommen haben, müssen Sie dies beweisen können. Wichtig ist vor allem, regelmäßig zu Fachärzten zu gehen und seinen Gesundheitszustand dokumentieren zu lassen. Wenn Sie Schwierigkeiten mit Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung haben oder die Versicherung nicht zahlen will, kontaktieren Sie mich gerne.

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Veröffentlicht am

13.04.2015

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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