Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine beidseitige Beinverlängerung beihilfefähig ist.
Der Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand als Polizeiobermeister im Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei) im Dienst der Beklagten. Im Jahr 2006 bat er diese um Erteilung einer Kostenzusage für eine Beihilfe zu der beabsichtigten beidseitigen Beinverlängerung bei seiner 20-jährigen Tochter. Dem Schreiben war ein Attest beigefügt, in dem ausgeführt war, die Tochter des Klägers leide unter einem Kleinwuchs von 142 cm. Aufgrund dessen bestehe bei ihr eine chronisch emotionale Belastungssituation. Bisherige psychotherapeutische Ansatzversuche hätten keine signifikante Verbesserung des emotionalen Zustandsbildes gezeigt. Durch das Tragen von Schuhen mit hohen Absätzen bestehe zugleich eine zunehmende statische Dysbalance der Hüfte und Wirbelsäule mit Entwicklung eines chronisch schmerzhaften Wirbelsäulensyndroms. Aufgrund dieser Entwicklung sei der Kleinwuchs als eigenständiges Krankheitsbild zu verstehen, dessen Korrektur durch eine beidseitige Beinverlängerung medizinisch notwendig sei.
Gemäß § 5 und § 6 Beihilfeverordnung wird Beihilfeberechtigten für sich und ihre berücksichtigungsfähigen Angehörigen auf Antrag Beihilfe zu den Aufwendungen gewährt, die ihnen insbesondere wegen einer Krankheit entstehen. Danach sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig (Nr. 1) und der Höhe nach angemessen sind (Nr. 2) und wenn die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (Nr. 3). Über die Notwendigkeit - und Angemessenheit - entscheidet die Festsetzungsstelle, wobei sie sich entsprechender medizinischer Gutachten bedienen. Diese sind jedoch voll gerichtlich überprüfbar.
Im vorliegenden Fall hat das Gericht den Anspruch auf Kostenübernahme in Einzelfall abgelehnt. Dabei hat es ausgeführt, dass die Kostenübernahme im Einzelfall noch nicht notwendig sei. Ein regelwidriger Körperzustand sei bei einer 142cm großen Frau noch nicht aufgrund der Größe erreicht. Vielmehr komme hier nur eine Therapie aufgrund der psychischen Erkrankung der Tochter in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei jedoch ein operativer Eingriff in einen gesunden Körperzustand, der lediglich mittelbar psychische Leiden beeinflussen soll, in der Regel nicht als notwendige Krankenbehandlung zu bewerten, sondern vielmehr dem Bereich der Eigenverantwortung des Betroffenen zugewiesen. Dies gelte unabhängig davon, ob der Auslöser der psychischen Störung auf einem regelgerechten Körperzustand oder auf einer körperlichen Anomalität beruhe, die als solche jedoch keinen Krankheitswert hat. Daher beschränke sich bei psychischen Störungen die notwendige Krankenbehandlung hier auf eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie.
Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist rechtskräftig.
Hinweis: Es obliegt der Würdigung des Gerichts, ob bereits ein regelwidriger Körperzustand vorliegt. In diesem Streitfall ist es durchaus denkbar, auch bei einer Körpergröße von 142cm bereits hiervon auszugehen, was eine Kostenübernahme begründen würde. Im Zweifel ist jedoch "jeder Zentimeter" und eine entsprechende Begründung entscheidend. Kontaktieren Sie mich daher bei Fragen gerne.
Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.01.2011.
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Veröffentlicht am
19.08.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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