Der VGH Baden-Württemberg hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass Erwachsene entgegen landesrechtlichen Vorschriften, die Beihilfeleistungen bei Personen über 18 Jahren nur bei kombinierten kieferchirurgische und kieferorthopädischen Behandlungsmaßnahmen vorsehen, unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch für rein konservative kieferorthopädische Maßnahmen Anspruch auf Beihilfeleistungen haben können.

Die verbeamtete Klägerin beantragte Beihilfe zu den Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung. Sie war als Beamtin mit einem Bemessungssatz von 70 Prozent beihilfeberechtigt. Bei ihr bestanden durch eine starke Bissabsenkung und ein prothetisch unterversorgtes Gebiss erhebliche funktionale Probleme im Kieferbereich (schmerzhafte Kiefergelenke und eine eingeschränkte Kaufunktion). Durch langjährige Zahnlücken rechts und links im Unterkiefer waren zudem die Backenzähne gekippt, was auch die Ursache starker parodontaler Probleme war. Auch Schmerzen im Halswirbelbereich , starke Nackenschmerzen, hingen damit zusammen. Auch ein medizinisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass diese Probleme nur durch eine fachgerechte kieferorthopädische Behandlung beseitigt werden könnten. In dem vorliegenden Behandlungsplan wurden die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 3.666,57 € geschätzt.

Die Klägerin beantragte daraufhin beim zuständigen Landesamt für Besoldung und Versorgung entsprechende Beihilfeleistungen. Dies lehnte die Behörde jedoch ab und teilte der Klägerin mit, Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien grundsätzlich nur dann beihilfefähig, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Etwas anderes gelte für Erwachsene nur bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Eine solche kombinierte kieferchirurgisch-kieferorthopädische Behandlung sei hier jedoch nicht erforderlich, der Arzt wolle nur konservativ kieferorthopädisch behandeln.

Gegen die Versagung der Beihilfe wandte sich die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe und schließlich vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, der ihr schließlich Recht gab.

Das Gericht führte aus, dass dahinstehen könne, ob die in allen landesrechtlichen Beihilfevorschriften weitgehend übereinstimmende Norm (in Hamburg: § 7 Hamburgische Beihilfeverordnung) verfassungswidrig sei, weil sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG) verstoße. Bereits bei einer verfassungskonformen und an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung müsse unter besonderen Umständen Beihilfe auch für rein kieferorthopädische Behandlungen gewährt werden.

Solche besonderen Umstände könnten dann vorliegen, wenn die Behandlung ausschließlich medizinisch indiziert sei und ästhetische, bzw. kosmetische Gründe ausgeschlossen werden könnten, keine Behandlungsalternative vorhanden sei, erhebliche Folgeprobleme (z.B. eine craniomandibuläre Dysfunktion) bestehe und eine sog. sekundäre Anomalie vorliege, die erst im Erwachsenenalter erworben wurde.

Die eingeholten Gutachten würden im vorliegenden Fall belegen, dass eine medizinische Indikation für eine entsprechende Behandlung vorliege.

Kommentar: Der Entscheidung ist zuzustimmen. Hinsichtlich der Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Leistungen kann es nicht auf die spezielle Art der Behandlung ankommen (kombinierte kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung), sondern auf die medizinische Indikation. Hält der Behandler in solch dringenden Fällen eine rein kieferorthopädische Behandlung für ausreichend und zweckmäßig, können Beihilfeleistungen nicht unter Hinweis auf den fehlenden chirurgischen Eingriff verweigert werden.

Kontaktieren Sie mich daher gerne, wenn Sie Fragen zur Beihilfefähigkeit Ihrer Behandlung haben.

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Foto: ©istockphoto.com/ Denis Raev


Kommentare

Katharina Korus
27.07.2014, 14:12 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe grade sehr aufmerksam ihren obigen Artikel zum Thema beihilfefähigkeit der Kieferorthopädischen Behandlung über 18 gelesen. Da ich momentan auch in dieser Situation stecke, hätte ich einige Fragen. Ich bin 20 Jahre alt und war letzte woche bei einem Kieferorthopäden in meiner Nähe. Dort wurde festgestellt das ich einen Zwangsbiss habe und sich dadurch immer der Unterkiefer nach links verschiebt (laterotrusion), auf der einen Seite ist deswegen Zug und auf der anderen Seite Druck auf den Unterkiefergelenken. Habe dadurch auch Probleme mit dem Nacken und Migräne. Meine Frage dazu würde die Beihilfe die konservative Behandlung zahlen oder denken Sie das dir Chancen eher schlecht stehen?! Vielen Dank im voraus Mfg Katharina Korus


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Veröffentlicht am

19.09.2012

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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