Wie das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in einem Verfahren zur Berufsausbildungsbeihilfe entschieden hat, genügt für eine Änderungsmitteilung an die zuständige Stelle grundsätzlich das Versenden mit einfachem Brief. Eine Erkundigungspflicht dahingehend, ob der Brief auch tatsächlich angekommen ist, ist nur aufgrund besonderer Umstände zu fordern.

Der 20-jährige ledige Kläger hat nach dem Schulbesuch zum 01.09.2006 eine Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) zum Industriemechaniker aufgenommen. Er wohnte zunächst bei seinen Eltern, bevor er im Jahr 2007 eine eigene Wohnung bezog, um so eine bessere Verkehrsanbindung an seinen Ausbildungsbetrieb zu haben. Der Kläger erhielt daraufhin Berufsausbildungsbeihilfe unter dem Hinweis, dass in der Regel kein Anspruch bestehe, wenn er wiederum bei seinen Eltern wohne. Darüber hinaus wurde er auf § 60 Sozialgesetzbuch 1 hingewiesen, wonach er verpflichtet ist, der Agentur für Arbeit ohne Aufforderung unverzüglich jede Änderung mitzuteilen, die für den Anspruch auf die Berufsbildungsbeihilfe oder für deren Höhe von Bedeutung ist. Beispielhaft wurden ausdrücklich insbesondere auch die Änderung der Anschrift und der Unterbringung des Auszubildenden genannt. Für die schriftliche Mitteilung solle dabei möglichst die bekannte Veränderungsmitteilung in Form eines Vordrucks genutzt werden. Jede andere geeignete Weise der Information sei jedoch auch möglich.

Nachdem der Kläger im Jahr 2008 wieder bei seinen Eltern eingezogen war, informierte er die Agentur für Arbeit durch einfachen Brief von seinem Umzug. Dieser Brief wurde aus ungeklärten Ursachen dort jedoch nicht aktenkundig. Als die Beklagte auf anderem Wege davon Kenntnis erlangte, hob sie den bestehenden Bewilligungsbescheid auf und forderte die gezahlte Berufsausbildungsbeihilfe in voller Höhe für den Zeitraum zurück, in dem der Kläger wieder bei seinen Eltern wohnte. Zur Begründung führte sie aus, es sei grob fahrlässig, eine solche Mitteilung mit einfachem Brief zu versenden. Die fehlende Reaktion hätte für den Kläger bzw. seine gesetzlichen Vertreter Anlass sein müssen, den Zugang des Schreibens zu überprüfen.

Hiergegen richten sich die Rechtsbehelfe des Klägers, zuletzt die zulässige Berufung vor dem Landesozialgericht Rheinland-Pfalz. Das Gericht hat dabei die Klage für begründet erachtet und einen Anspruch der Agentur für Arbeit auf Rückzahlung abgelehnt. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides im Sinne von § 48 Sozialgesetzbuch 10, die wiederum die causa für die Rückforderung bildet, würden nicht vorliegen. Zwar sei eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die der Leistungsbewilligung zugrunde gelegen haben, nach Erlass des Bewilligungsbescheides als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung eingetreten, die Voraussetzungen des Aufhebungstatbestands des § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 10, wonach der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, würden hingegen nicht vorliegen.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch 10 vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt ist, d.h. wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen und Verhalten des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Der Kläger ging davon aus, dass er seiner Mitteilungspflicht dadurch nachgekommen war, dass er unter Benutzung des Formvordrucks einen einfachen Brief mit der Änderungsanzeige, die er in Kopie vorlegen konnte, an die Beklagte gesendet hatte.

Eine Verpflichtung zur Wahl einer anderen Versendungsform besteht nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich nicht. Vielmehr darf ein Leistungsempfänger grundsätzlich davon ausgehen, mit einer Übersendung mit einfachem Brief seiner Mitteilungspflicht Genüge getan zu haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn schon die Behörde ihren Bewilligungsbescheid mit einfachem Brief versendet, wie es hier der Fall war. Im Übrigen sei nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts der Verantwortungsbereich des Bürgers bei der Übermittlung von Briefen darauf begrenzt, das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß - zutreffend adressiert und ausreichend frankiert - zur Post zu geben, sodass es bei normalem Verlauf der Dinge den Empfänger fristgerecht erreichen kann.

Anhaltspunkte, dass der Brief bei der Beklagten nicht eingegangen sein könnte, bestanden nicht. Allenfalls käme hier in Betracht auf die Weiterzahlung der Förderung abzustellen. Dies kann jedoch nicht verlangt werden, da eine solche Prüfung gerade der jeweiligen Behörde obliegt.

Bei gegenteiliger Handhabung ist zwar stets eine gesonderte Prüfung im Einzelfall anzustellen, ob nicht doch eine Überprüfungspflicht besteht. Im Übrigen kann aber davon ausgegangen werden, dass die Absendung mit einfachem Brief genügt. Sollten Sie diesbezüglich Probleme in der Auseinandersetzung mit einer Behörde haben, kontaktieren Sie mich gerne.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.10.2010.


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Veröffentlicht am

18.03.2011

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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