Das Hessische Landessozialgericht hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass Testamentsvollstrecker im Rahmen von sog. "Behindertentestamenten" auch die Einkommens- und Vermögensanrechnungen der Sozialhilfe zu beachten haben. Erblasser, die ihr Vermögen schwerbehinderten Menschen zuwenden, die Sozialhilfe beziehen, sollten entsprechende Vorkehrungen treffen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Privilegierung des Behindertentestaments ins Leere geht.
Die Klägerin ist bei Down-Syndrom geistig und körperlich behindert und lebt vollstationär betreut in einer stationären Einrichtung. Sie steht unter rechtlicher Betreuung. Nach dem Tod ihrer beiden Eltern wurde sie zur Schlusserbin und erbte das Vermögen in Höhe von vormals 129.691,00 DM, das entspricht 66.309,96 Euro. Hierbei wurde ein Testamentsvollstrecker benannt. Dieser sollte nach seinem Ermessen das Erbe der Klägerin zuwenden, um ihr so zu ermöglichen, ihr Leben weitestgehend wie bisher weiterzuführen. Das Vermögen sollte nach Maßgabe des Testaments insbesondere für das persönliche Wohl und für die persönlichen Bedürfnisse verwandt werden. Insbesondere sollten ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, um Kleidung, persönliche Anschaffungen entsprechend der technischen Entwicklung sowie den Wünschen und Bedürfnissen der Klägerin anzuschaffen und darüber hinaus Freizeiten und Urlaubsaufenthalte, einschl. der Anschaffung der dafür notwendigen Materialien und Ausstattungsgegenstände zu ermöglichen. Alles in allem also all jenes, was sie für eine angemessene und nicht auf das Nötigste reduzierte Lebensführung benötigt.
Nachdem der im Testament benannte Testamentsvollstrecker das Amt nicht angenommen hatte, bestellte das Amtsgericht einen neuen Testamentsvollstrecker. Dieser sollte im Rahmen der Vorgaben tätig werden, was dieser auch tat. Unter anderem wendete er der Klägerin Beträge in Höhe von 5.000 Euro und 1.800 Euro für Taschengeldzahlungen zu. Nachdem diese Eingänge vom Sozialamt, das die Unterbringung in der Einrichtung sowie die Assistenz der Klägerin überwiegend trägt, registriert wurden, erging ein Bescheid, nach dem die Klägerin die Summe, die nunmehr über der Freibetragsgrenze von 2600 Euro liegt, abzugeben haben.
Hiergegen richteten sich Widerspruch und Klagen der Klägerin, vertreten durch ihren Betreuer, zuletzt vor dem Landessozialgericht in Darmstadt.
Die Klage wurde abgewiesen mit der Folge, dass die Klägerin die überschüssigen Beträge an das Sozialamt zu zahlen hat.
Das Gericht führte zur Begründung aus, dass nach § 90 Absatz 1 Sozialgesetzbuch 12 das gesamte verwertbare Vermögen des Sozialhilfebeziehers einzusetzen sei. Dies gelte jedenfalls insoweit, als die Freibetragsgrenze von 2600 Euro überschritten sei. Dies sei hier der Fall. Der Auffassung der Vorinstanz, dass das auf dem sog. Taschengeldkonto liegende, den Vermögensfreibetrag übersteigende Geld der Klägerin dieser nicht zur Verfügung gestanden habe und deshalb von dieser nicht einzusetzen sei, sei nicht zu folgen. Denn darauf, ob die Klägerin geistig überhaupt in der Lage sei, mit dem Geld umzugehen, komme es nicht an. Zwar hieße es in einem Entwicklungsbericht über die Klägerin, sie kenne nicht den Wert von Geld, wisse aber dass man sich damit etwas kaufen könne. Gleichwohl habe die Klägerin einen Betreuer, die sie vertritt. Ferner könne es im Rahmen der Frage, welches Vermögen geschützt sei, nicht auf die individuellen, behinderungsbedingten Einschränkungen des Berechtigten im Umgang mit seinem Vermögen, sondern nur darauf ankommen, ob dieses Vermögen überhaupt für die Befriedigung persönlicher Wünsche und Bedarfe zur Verfügung stehe. Dies sei hier unstreitig der Fall.
Erblasser, die ihr Vermögen schwerbehinderten Menschen zuwenden, die Sozialhilfe beziehen, sollten daher schon im Rahmen der Erstellung des Behindertentestaments daran denken, einen Testamentsvollstrecker zu bestellen und diesem die Weisung zu erteilen, entsprechend tätig zu werden und die Freibetragsgrenzen zu beachten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Privilegierung des Behindertentestaments ins Leere geht. Es erscheint ratsam, eine solche Klausel bereits in das Testaments aufzunehmen und einen Testamentsvollstrecker an diese Vorgaben schriftlich zu binden. Flankiert werden können solche Regelungen durch persönliche Gespräche, soweit der Testamentsvollstrecker persönlich bekannt ist. Dies sollte eine entsprechende Klausel aber nie ersetzen, wie dieser Fall zeigt.
Kontaktieren Sie mich gerne, wenn Sie Fragen zu diesem Themenkomplex haben oder ein entsprechendes Testament erstellen wollen.
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Veröffentlicht am
25.09.2013
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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