Das Bayerische Landessozialgericht hat entschieden, dass die Kosten einer Taxifahrt zur Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Gutachter grundsätzlich nur in bestimmten Ausnahmefällen erstattet werden können. Liegt kein besonderer Ausnahmefall vor, wird lediglich eine Kilometerpauschale i.H.v. 35 Cent pro Kilometer erstattet.

Taxi

Rechtsgrundlage der Fahrtkosterstattung ist § 5 JVEG. Das Gericht entschied, dass eine Kostenübernahme für eine Taxifahrt nur dann in Betracht kommt wenn entweder

a) die Anreise mit einem öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmittel oder einem eigenen bzw. zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug nicht möglich oder zumutbar ist, so dass ohne Anreise mit einem Taxi der gerichtlich angeordnete Termin zur Begutachtung nicht wahrgenommen werden könnte. Dabei kommt es auch auf die individuellen Umstände des Betroffenen an (z.B. eine eingeschränkte Gehfähigkeit) oder

b) die Anreise mit dem Taxi bei einem Gesamtkostenvergleich billiger wäre, als mit dem ÖPNV oder einem eigenen oder geliehenem Kraftfahrzeug. Beim Kostenvergleich kommt es nicht auf die individuellen Umstände des Betroffenen an, sondern darauf, welche Kosten bei uneingeschränkter Reisefähigkeit unter normalen Bedingungen entstehen würden. Taxikosten könnten bei einem solchen Vergleich beispielsweise dann erstattet werden, wenn ohne die Taxifahrt Übernachtungskosten entstünden oder ein höherer Verdienstausfall wegen längerer Abwesenheit. Schließlich kommt

c) eine Erstattung von Taxikosten in Betracht, wenn das Gericht dem Betroffenen vor der Reise einer Taxifahrt ausdrücklich zugestimmt hat.

Das Gericht stellte klar: Benutzt jemand ein Taxi ohne einen der vorgenannten Gründe für die Taxifahrt vorweisen zu können, erhält dieser nur eine Kilometerpauschale und keinen Kostenersatz beispielsweise der maximal erstattungsfähigen Kosten, wenn er den ÖPNV genutzt hätte. Dies bedeutete für den Betroffenen im entschiedenen Fall:

Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14. Dezember 2006 – L 20 R 190/04.Ko: Eine ärztliche Verordnung auf Krankenbeförderung bindet die Staatskasse nicht. Vertraut der Antragsteller jedoch auf diese Verordnung, so geht dies zu seinen Lasten. Kann der Antragsteller einen PKW nicht eigenverantwortlich selbst benutzen, so sind hier statt fiktiver PKW-Kosten nur die fiktiven Bahnkosten zugrunde zu legen. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass im Rahmen einer fiktiven Vergleichsberechnung die Kosten mit der Deutschen Bahn oder anderer geeigneter öffentlicher Verkehrsmittel heranzuziehen sind (Leitsatz). [...] Für die Fahrt mit dem Taxi nach der Begutachtung zum Bahnhof erhält der Antragsteller lediglich einen Fahrtkostenersatz gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 JVEG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 € [Anmerkung: Nach Gesetzesänderung nun 0,35 €] pro gefahrenem Kilometer und damit insgesamt von 0,50 €. Ein weitergehender Anspruch auf Erstattung der Taxikosten über § 5 Abs. 3 JVEG besteht nicht.

Das bedeutet ganz praktisch: Für die Kostenübernahme kommt es letztlich darauf an, ob vom gerichtlichen Sachverständigen nach (!) der Begutachtung bescheinigt wird, dass der Proband nicht in der Lage war, eigenverantwortlich einen Pkw zu führen oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Der Kostenersatz ist selbst im Falle der berechtigten Taxi-Nutzung dann auf 0,35 € pro Kilometer begrenzt. Nur in besonderen Ausnahmefällen, z.B. bei einem Merkzeichen B, können höhere Kosten erstattet werden (siehe dazu unten).

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07. Juni 2016 – L 2 SF 213/15 E: Aufgrund der Bescheinigung des Sachverständigen vom Untersuchungstag ergibt sich ohne weiteres die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Taxis, da die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel der Antragstellerin nicht zumutbar ist.


Kommentare

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
20.01.2017, 17:37 Uhr

Das Bayerische Landessozialgericht hat am 16.10.2015 eine weitere interessante Entscheidung zur Kostenerstattung bei gerichtlich angeordneten Begutachtungen getroffen:

Die vorsätzliche Vereitelung [einer Begutachtung] führt dazu, dass der Berechtigte seinen Entschädigungs oder Vergütungsanspruch verliert. Kommt es zur Begutachtung nicht, weil sich der Beteiligte weigert, dem Sachverständigen gegenüber eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht abzugeben, liegt kein Fall der Vereitelung des Zwecks des Begutachtungstermins durch den Beteiligten vor. Denn die Anforderung einer Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht ist ausschließlich Aufgabe des Gerichts und nicht des Sachverständigen.

Weiter stellt das Gericht klar:

Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels. Wählt der Beteiligte wie hier die Anreise mit dem Kraftfahrzeug, werden ihm gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG für jeden gefahrenen Kilometer 0,25 € ersetzt.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
20.01.2017, 17:40 Uhr

Weitere Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgerichts zur Kostenerstattung bei Begutachtungs- oder Gerichtsterminen:

Eine Berücksichtigung von Kosten einer Bahncard ist im Rahmen der Entschädigung für eine Terminswahrnehmung durch einen Beteiligten nicht möglich (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 04. November 2014 – L 15 SF 198/14 –).

Ist man spät dran, bzw. hat es eilig und muss deshalb ein Taxi nehmen, können diese Kosten nicht geltend gemacht werden:

Die Erstattung von Kosten für ein Taxi, das ein Beteiligter aus Zeitnot in Anspruch genommen hat, um einen gerichtlich angesetzten Termin rechtzeitig wahrnehmen zu können, kommt jedenfalls bei einer selbst herbeigeführten Zeitnot nicht in Betracht. Denn von einer objektiven Notwendigkeit der Taxibenutzung kann dann nicht ausgegangen werden (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. Mai 2014 – L 15 SF 137/13 –).

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
11.11.2021, 11:33 Uhr

Hier noch eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts zum Ausnahmefall eines Inhabers des Merkzeichens B, der alleine mit dem Taxi zur Begutachtung fährt.

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. November 2016 – L 15 RF 31/16: Reist der Inhaber des Merkzeichens B allein mit einem Taxi zu einem gerichtlich angeordneten Termin an, sind die Taxikosten als objektiv notwendige Kosten einer objektiv nötigen Anreise zu erstatten. Weitergehende Prüfungen, zum einen hinsichtlich der Frage der individuellen Notwendigkeit der begleiteten Anreise im konkreten Fall, zum anderen, ob im konkreten Fall gleichwohl eine günstigere Anreise möglich gewesen wäre, sind nicht geboten. (Leitsatz) [...] Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei der Anreise eines Inhabers des Merkzeichens B mit einem Taxi zu einem gerichtlich angeordneten Termin die Taxikosten als objektiv notwendige Kosten einer objektiv nötigen Anreise zu erstatten sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - keine weitere Begleitperson, durch die zusätzliche Kosten entstanden sind, den Antragsteller zum Termin begleitet hat. Weitergehende Prüfungen, zum einen hinsichtlich der Frage der individuellen Notwendigkeit der begleiteten Anreise im konkreten Fall, zum anderen, ob im konkreten Fall gleichwohl eine günstigere Anreise möglich gewesen wäre, sind nicht geboten. Insbesondere ist daher auch nicht die Vorlage ärztlicher Unterlagen zum Nachweis der Notwendigkeit der Begleitung erforderlich. Die vom Antragsteller durch Vorlage einer Quittung nachgewiesenen Taxikosten über 289,60 €, die, wie eine Nachprüfung mittels im Internet verfügbaren Taxikostenrechnern ergeben hat, auch mit der angegebenen Fahrtstrecke in Einklang zu bringen sind, sind dem Antragsteller daher zu ersetzen.

Leider ist der Entscheidung nicht zu entnehmen, wie es sich verhält, wenn im Taxi noch eine weitere Begleitperson mitfährt, beispielsweise der Ehepartner, wenn dieser auch keinen PKW selbst führen kann und dem Betroffenen hilft, in die Arztpraxis des Gutachters zu kommen, etc. Die Begutachtungen dauern i.d.R. auch länger, so dass der Proband ggf. auch nach der gutachterlichen Untersuchung noch Hilfe benötigt, die ein Taxifahrer nicht leisten kann. Es würde in einem solchen Fall m.E. auch keinen Sinn machen, im Falle einer nicht allein erfolgten Taxifahrt die Kosten nicht zu erstatten.


Kommentar schreiben

Veröffentlicht am

23.09.2016

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

Hinweis

Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

Urheber

© Rechtsanwalt Köper (Gilt nicht für gekennzeichnete Pressemitteilungen, Medieninformationen und Gerichtsentscheidungen)

Bildnachweis

© Fotolia.com/cameris

Downloads