Essen. Auch langjährig geduldete Ausländer haben Anspruch auf Anerkennung als Schwerbehinderte, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen dafür erfüllen.

Das hat das Landessozial­gericht Nordrhein-Westfalen in einem jetzt veröffentlichten Urteil zugunsten einer 32 jährigen Chinesin entschie­den, die seit 2004 in Deutschland lebt und ausländerrechtlich nur geduldet wird. Der Frau war nach einer Que­tschung die linke Hand amputiert worden, nach ihren Angaben als Folge körperlicher Gewalt während eines Gefängnisaufenthalts in China im Jahr 2003. Ihr Asylverfahren in Deutschland blieb erfolglos.

Die zuständige Behörde (Versorgungs­verwaltung) hatte wegen der Duldung ihren Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderte nach der bestehen­den Weisungslage abgelehnt. Ebenso wie vor ihm das Sozialgericht ließ das Landessozialgericht dieses Argument nicht gelten. Die Klägerin habe, wie vom 9. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) verlangt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, da hier der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen liege. Maßgeblich sei, dass die Klägerin schon seit über fünf Jahren und auf unabsehbare Zeit in Deutschland lebe. Es liege sogar nahe, dass der Schutz des Schwerbehindertenrechts schon nach einer Aufenthaltsdauer von drei Jahren greife. Die Klägerin halte sich in Deutschland auf unabsehbare Zeit auf, denn ihre Rückführung nach China seit Jahren schon an fehlenden Reisedokumenten scheitere . Das Schwerbehindertenrecht lasse es nicht zu, auf unabsehbare Zeit in Deutschland lebende ausländische Behinderte allein wegen ihrer Staatsangehörigkeit und ihres Aufenthaltsstatus auf Dauer von Hilfen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft auszuschließen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil der Senat wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen hat. (Urteil vom 28.10. 2009 ? L 10 SB 45/08, Vorinstanz SG Münster, Urteil vom 20.10.2008 ? 2 SG 244/07 SG Münster).

Zur Information: Geduldete Ausländer verfügen nicht über einen Aufenthaltstitel, der sie zum Aufenthalt in Deutschland berechtigt. Daher sind sie zur Ausreise verpflichtet. Die Duldung beseitigt ihre Ausreisepflicht nicht, sondern setzt nur den Vollzug in Gestalt der Abschiebung aus. Als vorübergehender Vollstreckungsaufschub überbrückt die Duldung so den Zeitraum bis zur Abschiebung oder zur Erteilung eines Aufenthaltstitels. Wichtigste unmittelbare Rechtsfolge der Duldung: Der Aufenthalt des begünstigten Ausländers ist nicht strafbar.

Quelle: Pressemitteilung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22.01.2010


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Veröffentlicht am

27.01.2010

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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