Bescheinigt der Arzt Arbeitsunfähigkeit ohne Angabe eines Endzeitpunkts „bis auf Weiteres“, so kann aus der Angabe eines Wiedervorstellungstermins nicht entnommen werden, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Termin beschränkt sein soll. Dies hat das Landessozialgericht Mainz am 16. April 2015 entschieden.

Die 1963 geborene, arbeitslose Klägerin erkrankte am 5.4.2013 arbeitsunfähig. Zunächst erhielt sie Leistungsfortzahlung, nach sechs Wochen gewährte die beklagte Krankenversicherung ihr Krankengeld. Auf Nachfrage der Beklagten teilte ihr der Hausarzt der Klägerin mit, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit unbestimmt sei. Im Auszahlschein der Gemeinschaftspraxis ist angegeben, die Klägerin sei bis auf Weiteres arbeitsunfähig. Sie sei zum 8.8.2013 wiederbestellt.

Mit Bescheid vom 29.7.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Arbeitsunfähigkeit ab dem 3.8.2013 enden würde, so dass sie wieder den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie legte weitere Auszahlung scheine ihres Hausarztes vor, in denen bescheinigt wurde, dass die Klägerin bis auf Weiteres arbeitsunfähig sei.

Bei einer Untersuchung im Oktober 2013 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass eine endgradige Bewegungseinschränkung in beiden Schultern sowie in der Halswirbelsäule vorläge. Mit dieser Funktionsstörung könne die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Videothek derzeit nicht ausüben. Sie sei jedoch in der Lage unter Berücksichtigung ihrer Einschränkungen eine zumindest leichte körperliche Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung auszuüben. Dieses Leistungsbild durfte auch schon seit August 2013 vorgelegen haben.

Daraufhin wies die Beklagte dem Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin habe nach den Feststellungen des MDK am 2.8.2013 geendet.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Koblenz. Das Gericht gab der Klägerin Recht. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum arbeitsunfähig gewesen.

Auch das daraufhin von der Beklagten angerufene Berufungsgericht teilte diese Auffassung. Dazu führte das Landessozialgericht Mainz aus, dass ein Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an besteht, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Der Versicherte sei verpflichtet, rechtzeitig vor dem Ende der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erneut einen Arzt aufzusuchen, um die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen. Der Klägerin wurde im Auszahlschein vom 24.7.2013 Arbeitsunfähigkeit „bis auf Weiteres“ bescheinigt. Die Angabe des Wiedervorstellungstermins der Klägerin zum 08.08.2013 bedeute nicht, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Zeitpunkt beschränkt werden sollte.

160415


Kommentare

Frau C.
08.03.2019, 17:54 Uhr

Sehr geehrter Herr Köper, auf meiner Krankschreibung hat der Arzt kein Enddatum, sondern "bis auf weiteres" vermerkt. Die Krankschreibung wurde meiner Krankenkasse nachweislich zugestellt ebenso meine Frage an die KK, ob ich nun noch etwas tun müsse/könne. Die KK hat den Eingang bestätigt, sich danach aber mehrere Monate nicht gerührt. Auf meine telefonische Nachfrage teilte man mir mit, die Formulierung "bis auf weiteres" sei unzulässig und ich hätte nach vier Wochen eine weitere Krankmeldung einreichen müssen. Dies wurde mir nun aber erst zehn Monate später mitgeteilt. Auf wessen Seiten liegt das Verschulden? Kann ich als Endkunde wissen, dass ich weitere Belege einreichen muss, wenn mich die KK trotz Nachfrage nicht darauf hinweist? Herzlichen Dank für Ihre Mühe! C.

Rechtsanwalt David A. KöperRA Köper
08.03.2019, 18:01 Uhr

Sehr geehrte Frau C.,

vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich darf zunächst nur kurz bemerken, dass es in der Tat etwas ungewöhnlich ist, dass sich Ihre Krankenkasse "mehrere Monate" nicht rührt und Sie sich erst jetzt - 10 Monate später - hier melden. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass kein Geld mehr kam? Inhaltlich kann ich zwar auf das unten stehende Urteil verweisen. Sie können mit diesem Argument Widerspruch gegen den Bescheid der Krankenkasse über die Beendigung der Krankengeldzahlung erheben. Es dürfte allerdings bei dieser Sachlage und langen Zeitspanne durchaus mit einer Zurückweisung des Widerspruchs und der Notwendigkeit eines gerichtlichen Verfahrens zu rechnen sein. Die lange Zeitspanne erleichtert nicht unbedingt die nachträgliche Feststellung der tatsächlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, die im Zweifel der Versicherte beweisen muss. MfG RA Köper

Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. März 2018, L 1 KR 38/17: Die ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit muss jedoch nicht zwingend durch einen Vertragsarzt erfolgen und kann auch einen längeren Zeitraum umfassen bzw. sogar auf Dauer ("bis auf weiteres") ausgesprochen werden. Eine einzige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kann so einen Anspruch auf Krankengeld für mehrere Zeitabschnitte begründen und weitere Arbeitsunfähigkeitsmeldungen erübrigen. Auch die Verwendung der in § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) vorgesehenen Vordrucke (Muster 1 und Muster 17) ist nicht notwendig, da die AU-RL den leistungsrechtlichen Krankengeldtatbestand nicht ausgestalten (BSG, Urt. v. 10.12.2012 - B 1 KR 20/11 R - juris, Rn. 13; Urt. v. 12.03.2013 - B 1 KR 7/12 R).


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Veröffentlicht am

10.06.2015

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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Der Artikel spiegelt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Die Rechtslage kann sich jederzeit ändern.

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