Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass ein Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz auf Einholung eines weiteren Gutachtens verspätet ist, wenn er erst in der mündlichen Verhandlung gestellt wird.
Bei der 1974 geborenen Klägerin wurde zuletzt mit Bescheid vom 13.10.2009 ein GdB von 30 festgestellt. Dabei wurden die Behinderungen wie folgt bezeichnet und bewertet:
- Knorpelschaden rechtes Kniegelenk 20
- Degeneratives Wirbelsäulen-Syndrom, Adipositas 20
- Psychische Störung 10
Im April 2012 machte die Klägerin durch Änderungsantrag die Feststellung eines höheren GdB geltend, aufgrund einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes am linken Kniegelenk.
Die Beklagte lehnte nach Auswertung der Befunde durch den Ärztlichen Dienst den Antrag ab: Der Gesamt-GdB sei mit 30 weiterhin ausreichend bewertet.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Klägerin am 19.7.2012 Klage zum Sozialgericht Koblenz.
Das Sozialgericht holte ein chirurgisches und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein. Der chirurgische Gutachter hat den Gesamt-GdB unverändert mit 30 bewertet und den Eintritt einer wesentlichen Änderung verneint. Dagegen bewertete der psychiatrische Gutachter den Gesamt-GdB mit 40 und bejahte den Eintritt einer wesentlichen Verschlechterung. Die Behinderungen seien als psychische Störungen in Form von Anpassungsstörungen, generalisierte Angststörung, Dysthymia und undifferenzierte Somatisierungsstörung zu bezeichnen.
Der Beklagte hat sich daraufhin mit einem Teilanerkenntnis bereiterklärt, einen Gesamt- GdB von 40 ab Antragstellung anzuerkennen. Dieser Feststellung lagen folgende Gesundheitsstörungen zu Grunde: 1. Psychische Störung 30 2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 20 3. Degenerative Veränderungen beider Schultergelenke 20 4. Degenerative Veränderungen der Hüft- und Kniegelenke, Fußfehlbildung beidseits 20
Die Klägerin nahm das Teilanerkenntnis an, hielt jedoch im Übrigen an der Klage fest.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz auf Einholung eines Gutachtens beim Orthopäden B gestellt.
Das Sozialgericht wies den Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz als verspätet zurück, da die Zulassung zu einer Verzögerung des Rechtstreits geführt hätte. Der Antrag sei aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden.
Insgesamt sei daher eine Anhebung des Gesamt-GdB auf 40, jedoch nicht auf 50, d.h. die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt. Denn insgesamt seien die Gesamtauswirkungen der Behinderung nicht so gravierend wie etwa beim Verlust einer Hand, eines Beines im Unterschenkel oder einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, die jeweils für sich einen GdB von 50 bedingten.
Das dagegen angerufene Landessozialgericht Rheinland-Pfalz gab dem Sozialgericht recht und wies die Berufung der Klägerin zurück.
Dazu führte es aus, dass ein höherer Grad der Behinderung als 40 nicht festzustellen sei, wie das Sozialgericht zu Recht entschieden habe. Dem Sozialgericht sei auch kein Verfahrensfehler vorzuwerfen. Der erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin hilfsweise gestellte Antrag, ein Gutachten einzuholen, wurde verspätet gestellt und ist daher zu Recht abgelehnt worden
Der Beteiligte habe den Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz spätestens dann innerhalb angemessener Frist zu stellen, wenn er erkennen muss, dass das Gericht keine (weiteren) Erhebungen von Amts wegen durchführt. Dies sei anzunehmen, wenn ihn das Gericht ausdrücklich auf die Möglichkeit eines Antrags hinweist, aber auch bei sachkundigen oder sachkundig vertretenen Klägern, wenn es mitteilt, es seien keine weiteren Ermittlungen vorgesehen bzw. der Rechtstreit werde als entscheidungsreif angesehen oder wenn es den Rechtsstreit ohne weitere Mitteilung terminiert Die vom Sozialgericht getroffene Entscheidung sei folglich verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, aber auch in der Sache nicht zu beanstanden.
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Veröffentlicht am
30.04.2015
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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