Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit eines Beamten die amtsärztliche Beurteilung wichtiger ist, als die Befunde behandelnder Ärzte, zumal der Begriff der Dienstunfähigkeit teilweise weitergehende Anforderungen stellt, als der Begriff der Berufsunfähigkeit.
In der Entscheidung des OLG Köln ging es um eine Grundschullehrerin und Rektorin eines Studienseminars, die in der Lehrerausbildung tätig war. Diese war seit März 2008 zunächst arbeitsunfähig krankgeschrieben und wurde sodann stationär in einer Klinik für Psychosomatik, Psychotherapie, Psychiatrie behandelt. Nach einigen Monaten beantragte sie anschließend eine stufenweise Wiedereingliederung und übte ihren Dienst statt 42 Stunden wöchentlich - wie es der Vollzeittätigkeit entspräche - im ersten Schulhalbjahr 9, im zweiten Halbjahr 16 Wochenstunden und im dritten Schulhalbjahr Teilzeit zu 21 Wochenstunden aus.
Die beantragte bei ihrer privaten Risiko-Lebensversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung eine Berufsunfähigkeitsrente und machte geltend, in der Folge eines Zusammenbruchs aufgrund einer Anpassungsstörung mit reaktiver Depression, eines Erschöpfungssyndroms und psychosomatischer Reaktionsbildung bei privaten Belastungsfaktoren sowie einer mittelgradigen depressiven Episode und Schmerzen zu mindestens 50 % außerstande zu sein, ihren Beruf als Ausbildungsleiterin in der Lehrerausbildung auszuüben.
Der Versicherer lehnte den Antrag ab und die Lehrerin klagte, wobei das Landgericht Köln die Klage zunächst abwies. Der erste gerichtliche Sachverständige kam zum Ergebnis, dass sich keine Zeit feststellen lasse, in der sie über einen Zeitraum von wenigstens 6 Monaten infolge Krankheit ununterbrochen zu mindestens 50 % außer Stande gewesen sei, ihren Beruf als Ausbildungsleiterin auszuüben.
Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein und gewann schließlich den Rechtsstreit mit ihrer Versicherung. Das Oberlandesgericht führte aus:
Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der erfolgten Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 ZPO) ist der Senat der Überzeugung, dass der Klägerin zumindest der Beweis fiktiver Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 BBUZ gelungen ist. Diese ist gegeben, weil die Klägerin seit ihrer Erkrankung am 25. Februar 2008 für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten ununterbrochen infolge Krankheit oder Kräfteverfalls zu mindestens 50 % außer Stande war, ihrem davor zuletzt ausgeübten Berufs als Ausbildungsleiterin für Lehrer nachzugehen.
Die vom Berufungsgericht beauftragte Sachverständige habe überzeugend klargestellt, dass die Klägerin seit März 2008 letztlich durchgehend im Sinne der Versicherungsbedingungen berufsunfähig gewesen sei. Zwar habe es Aufs und Ab gegeben, im Grunde liege jedoch ein chronifizierter Zustand vor. Die Einschätzung der Sachverständigen deckten sich auch mit den medizinischen Behandlungsunterlagen und vor allem mit dem psychiatrisch-psychosomatischen Gutachten zur Dienstfähigkeit der Klägerin, das ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und psychosomatische Medizin im Auftrag des Landesversorgungsamts erstellt habe. Dieser habe eine lediglich begrenzte Dienstfähigkeit für eine wöchentliche Arbeitszeit von 21 Stunden (von 42) festgestellt. Hierzu stellte das Oberlandesgericht fest:
Der Beurteilung des Sachverständigen als vom Dienstherren der Klägerin beauftragter Sachverständiger kommt aufgrund dieser Funktion ein stärkerer Indizwert zu als Befunden behandelnder Ärzte, bei denen eine Beeinflussung durch ein Näheverhältnis zum Patienten und wirtschaftliche Interessen nicht auszuschließen ist. ... Auch bestehen zwischen der zu beantwortenden Frage nach der Einschränkung der Dienstfähigkeit... und der in dem vorliegenden Rechtsstreit zu entscheidenden Frage nach der Berufsunfähigkeit der Klägerin Überschneidungen, auch wenn sich der beamtenrechtliche Begriff der Dienstunfähigkeit und der Begriff der Berufsunfähigkeit der privatrechtlichen Berufsunfähigkeitsversicherung nicht decken. Dienstunfähigkeit im Sinne des Beamtenrechts liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Beamte für das konkrete Amt, in das er berufen ist, dienstunfähig ist, wobei der Begriff "Amt" in diesem Zusammenhang nicht mit dem innegehabten Dienstposten gleichzusetzen ist, sondern als "das Amt eines Sekretärs, Inspektors, Regierungsrats bei seiner Beschäftigungsbehörde" zu verstehen ist.... Da (teilweise) Dienstunfähigkeit nur vorliegt, wenn der Beamte nicht nur die von ihm bisher konkret auszuübende Tätigkeit, sondern auch eine Ersatztätigkeit im Bereich seines funktionellen Amtes im abstrakten Sinne nicht mehr vollständig auszuüben vermag, stellt der beamtenrechtliche Begriff der Dienstunfähigkeit sogar teilweise weitergehende Anforderungen als der hier maßgebliche Begriff der Berufsunfähigkeit.
Bei der Beurteilung der Berufsfähigkeit sei es notwendig, sich an der konkreten Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit zu orientieren, wobei das Berufsbild der Klägerin als Ausbildungsleiterin in der Lehrerausbildung ein hohes Maß an kognitiver und zeitlicher Flexibilität bei teilweise langen Arbeitstagen mit hoher Belastung, besonders in den Prüfungsmonaten, erfordere. Das von der Versicherung angeführte Gutachten mache den Eindruck, dass der Sachverständige fehlerhafte meinte, vor allem die allgemeine Erwerbsfähigkeit der Klägerin begutachten zu müssen. Die von der konkret ausgeübte Tätigkeit sei nur floskelhaft allgemein angerissen worden.
Weiterhin bestätige ein 2012 erneut notwendiger stationärer Klinikaufenthalt, dass die Klägerin auch mit ihrer reduzierten Stundenzahl zeitweise über ihre Belastungsgrenze gegangen sei.
Das Oberlandesgericht verurteilte daher die Versicherung, der Klägerin rückständige Rente i.H.v. 52.272,00 EUR und monatliche Rente zzgl. Bonusrente zu zahlen.
H i n w e i s :
In Hamburg ist das Verfahren zur Feststellung der Dienstfähigkeit und begrenzten Dienstfähigkeit in § 41 HmbBG geregelt. Nach meiner Erfahrung sind amtsärztliche Begutachtungen häufig weniger belastend und im Ergebnis auch weniger restriktiv, als die oft mehrstündigen Begutachtungen durch von den Versicherungen beauftragten und bezahlten Gutachteninstituten und Privatgutachtern. Viele Berufsunfähigkeits(-zusatz)versicherungen enthalten auch Klauseln zur Feststellung der Dienstunfähigkeit. Bei Fragen zum Bezug einer privaten Berufsunfähigkeitsrente als Beamtin/Beamter kontaktieren Sie mich gerne.
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Veröffentlicht am
23.03.2017
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Rechtsanwalt David Andreas Köper
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