Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat in einem ausdrücklich zu begrüßenden Urteil die Möglichkeit des beruflichen Aufstiegs von schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterstrichen. So ist die Ausbildung eines Physiotherapeuten zum Ostheopathen durch das Integrationsamt förderungsfähig.
Der Kläger ist wegen Sehminderung bei Retinitis pigmentosa mit einem festgestellten Grad der Behinderung (GdB) von 100 schwerbehindert. Er ist Physiotherapeut und arbeitet in einem städtischen Krankenhaus. Er beantragte beim dem beklagten Integrationsamt die Bezuschussung einer fünfjährigen Osteopathie-Ausbildung speziell für Blinde und Sehbehinderte. Dabei trug er vor, die Osteopathie finde immer mehr Zuspruch bei Ärzten und Patienten. Angesichts des enormen Konkurrenzdruckes unter den Physiotherapeuten strebe auch er eine solche Ausbildung an, die schon viele seiner nicht sehbehinderten Kollegen absolviert hätten. Überdies hege er auch ein großes persönliches Interesse für dieses Gebiet. Der Antrag wurde abgelehnt. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Förderung einer Leistung zum beruflichen Aufstieg gemäß § 24 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung sei nur möglich, wenn die vermittelten Fertigkeiten und Kenntnisse in absehbarer Zeit beim Arbeitgeber sinnvoll und tätigkeitsbezogen eingesetzt werden könnten.
Nachdem dem Widerspruch nicht abgeholfen wurd, erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt und bekam Recht.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch folge, so das Gericht, dem Grunde nach aus § 24 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung. Nach Satz 1 dieser Vorschrift könnten schwerbehinderte Menschen, die an inner- oder außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Erhaltung und Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten oder zur Anpassung an die technische Entwicklung teilnehmen würden, vor allem an besonderen Fortbildungs- und Anpassungsmaßnahmen, die nach Art, Umfang und Dauer den Bedürfnissen dieser schwerbehinderten Menschen entsprechen, Zuschüsse bis zur Höhe der ihnen durch die Teilnahme an diesen Maßnahmen entstehenden Aufwendungen erhalten.
Nach Satz 2 könnten Hilfen auch zum beruflichen Aufstieg erbracht werden. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten seien Leistungen in diesem Zusammenhang nicht auf den von einem Schwerbehinderten konkret eingenommenen Arbeitsplatz bezogen. Abgesehen davon, dass die Aufzählung von förderungsfähigen beruflichen Bildungsmaßnahmen in der Norm nur beispielhaft sei, folge aus Satz 2 dieser Vorschrift auch die grundsätzliche Förderungsfähigkeit von Bildungsmaßnahmen zum beruflichen Aufstieg. Dass es sich insoweit nur um einen beruflichen Aufstieg im Rahmen des Betriebs, in dem der Schwerbehinderte beschäftigt sei, handeln könnte, lasse sich dieser Vorschrift nicht entnehmen. Vielmehr sei auch eine arbeitsmarktbezogene Sicht anzustrengen. Danach könnten entsprechende Leistungen unter anderem erbracht werden, wenn die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stoße und durch die Leistungen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden könne.
Hier könne, so das Gericht, davon ausgegangen werden, dass der 43 Jahre alte Kläger mit der von ihm aufgenommenen fünfjährigen Fortbildung zum Osteopathen nach deren erfolgreichem Abschluss langfristig seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich steigern würde und er deshalb damit rechnen könnte, bis zum regulären Eintritt in den Ruhestand am Arbeitsleben teilhaben zu können. Dies sei gerade im Gesundheitssektor besonders wichtig, da dieser eine dynamische Entwicklung zu verzeichnen habe. Es müsse daher die Selbsthilfefähigkeit des Klägers gestärkt werden. Die Dynamik dieses Arbeitsmarktsegments gebiete es geradezu, sich als Schwerbehinderter nicht nur in dem bisher ausgeübten Beruf fortzubilden, sondern auch Zusatzqualifikationen zu erwerben, um sich langfristig bessere Beschäftigungschancen zu sichern.
Kommentar: Dem Urteil ist ausdrücklich zuzustimmen. Gerade Schwerbehinderten ist die Möglichkeit des beruflichen Aufstiegs nicht unangemessen zu erschweren. Dies ist schon von Verfassungswegen notwendig. Zu unterstreichen ist zudem, dass dieses Urteil auch außerhalb des Gesundheitssektors Wirkung entfaltet. Kontaktieren Sie mich daher gerne in Ihrem Fall.
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Veröffentlicht am
28.12.2012
Autor
Rechtsanwalt David Andreas Köper
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