Das Bundessozialgericht hat im August 2014 entschieden, dass man zur Erlangung eines Arbeitsplatzes auch dann einem Schwerbehinderten gleichgestellt werden kann, wenn man aktuell einen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Justizfachangestellte bei der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

Trotz ihres unbefristeten und ungekündigten Jobs beantragte sie bei der Bundesagentur für Arbeit die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Dies benötigte sie, da sie innerhalb der Behörde bei einer Bewerbung um einen Ausbildungsplatz zur Diplom-Finanzwirtin aufgrund ihrer Erkrankung abgelehnt wurde. Die Rechtsmittel gegen den Ablehnungsbescheid blieben erfolglos.

In ihrer Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg verwies die Klägerin auf die UN-Behindertenrechtskonvention, wonach behinderte Menschen ein weitgehendes Wahlrecht haben und auch berufliche Aufstiegschancen zu berücksichtigen seien. Das Sozialgericht wies die Klage ab mit der Begründung, der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das „Erlangen“ eines geeigneten Arbeitsplatzes im Sinne des § 2 Absatz 3 Sozialgesetzbuch 9.

Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hob hingegen die angefochtenen Bescheide sowie das Urteil des SG auf. Das begründete es damit, dass es dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden müsse, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspräche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

Die von der Beklagten daraufhin eingelegte Revision wies das Bundessozialgericht (BSG) am 06.August 2014 zurück.

In dem Urteil verpflichtet das BSG die Beklagte dazu, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt mit einem behinderten Menschen gleichzustellen.

Diese Entscheidung begründet es damit, dass § 2 Absatz 3 Sozialgesetzbuch 9 auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schütze. Das Grundgesetz, völkerrechtliche und supranationale Normen geben Hinweise zur Auslegung dieses Gesetzes. Demnach sei ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser sei nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr müsse auch der Zugang zu anderen bzw. der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden.

Ein Video zur Feststellung der Schwerbehinderung finden Sie hier.

Foto: © Thomas Becker - Fotolia.com


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Veröffentlicht am

05.12.2014

Autor

Rechtsanwalt David Andreas Köper aus Hamburg Rechtsanwalt David Andreas Köper

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